Lauterbach: "Termine beim Hausarzt werden künftig deutlich einfacher werden“

Bundesgesundheitminister Prof. Karl Lauterbach zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz und zur ePA.

04. Februar 2025

Handelsblatt: Herr Lauterbach, wieso wollten Sie mit einem neuen Gesetz in den letzten Wochen vor der Wahl und einer derart politischen angespannten Lage noch ändern, wie Ärzte in Zukunft bezahlt werden?

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach: Die Realität zwingt zum Handeln. Schon jetzt haben Patienten Probleme, einen Hausarzt zu finden. Und die Lage wird nicht besser. Deswegen mussten wir gegensteuern, Hausarztpraxen entlasten, den Beruf attraktiver machen. Künftig müssen Ärzte ihre Patienten nicht mehr alle drei Monate einbestellen, um abrechnen zu können. Dafür führen wir eine Jahrespauschale ein. Und wir Entbudgetieren die Honorare. Das heißt: Sie haben mehr Zeit für neue Patienten. Hausarzttermine zu bekommen, wird deutlich einfacher werden.

Sie wollen damit auch erreichen, dass sich mehr Ärzte auf dem Land niederlassen, weil es da einen erheblichen Mangel gibt. Glauben Sie wirklich, dass die Honorargrenze der einzige Grund ist, warum Ärzte bisher nicht aufs Land gehen?

Das Gesetz verbessert die Situation der Hausärzte insgesamt – auch auf dem Land. Der Beruf wird durch weniger Bürokratie und bessere Bezahlung attraktiver. Und das Gesetz reiht sich ein in mehrere Maßnahmen, die den Arztberuf flexibler machen. Denken Sie an die Telemedizin, die wir mit den Digitalgesetzen erheblich erweitert haben. Auch das hilft bei der Versorgung von Patienten auf dem Land.

Sind die Praxen denn überhaupt in der Lage, digital zu arbeiten – und zum Beispiel Sprechstunden im Videochat anzubieten?

Das liegt natürlich in der Hand des jeweiligen Praxisinhabers. Aber es ist auch in seinem Interesse. Deswegen investieren viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte auch in Digitalisierung. Mit der elektronischen Patientenakte, dem elektronischen Rezept, der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und der Telemedizin können sie ihre Patienten besser und unkomplizierter betreuen. Patienten mit leichten Erkrankungen werden künftig nicht mehr in die Praxis kommen müssen.

Krankenkassen befürchten, dass das Gesetz unnötige Kosten für die Beitragszahler verursacht.

Das sehe ich nicht so. Wir reduzieren doch die Arzt-Patienten-Kontakte. Durch unsere Reform werden Patienten künftig nur noch zum Hausarzt gehen, wenn es wirklich nötig ist, nicht aus Abrechnungsgründen, und es werden unnötige Facharzttermine verhindert.

Sie haben bereits den Ruf des Ministers der Beitragserhöhungen, Sie sollen derjenige sein, der alles teurer gemacht hat.

Ich habe bei meinem Amtsantritt ein teures Gesundheitssystem geerbt, das nur mittelmäßige Ergebnisse erzielt hat. Nehmen Sie den Krankenhausbereich: In vielen Kliniken werden Operationen gemacht, die nicht nötig sind, nur um Geld zu verdienen. Wir haben 100 Milliarden für Krankenhäuser ausgegeben, aber trotzdem machen viele ein Defizit.

Warum haben Sie dann entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen den Umbau der Krankenhäuser mit jährlich 2,5 Milliarden Euro über zehn Jahre finanzieren sollen, obwohl die Krankenhäuser auch für die Beitragszahler ohnehin schon so teuer sind?

Ich hatte zwei Optionen: Entweder ich lasse das ineffiziente System so weiterlaufen oder ich mache Strukturreformen, die langfristig die Beiträge stabilisieren und die Patientenversorgung verbessern. Einfach nur die Beiträge oder den Eigenanteil zu erhöhen, ohne Reformen, hilft nichts.

Kassenvertreter warnen allerdings davor, dass die Beiträge schon im Sommer wieder steigen könnten. Was muss der Gesundheitsminister nach der Wahl tun, um das zu verhindern?

Ich glaube nicht, dass es in diesem Jahr noch Beitragserhöhungen gibt. Wir müssen die Finanzierung des Systems breiter aufstellen. Versicherungsfremde Leistungen werden wir aus Steuermitteln zahlen müssen. Und Privatversicherte müssen sich stärker an der Solidarität beteiligen. Momentan zahlen die gesetzlich Versicherten mehr und tragen die Lasten für die Einkommensschwachen. Wenn diese zusätzlichen Mittel kommen, sind Beitragserhöhungen nicht zu erwarten.

Der Sozialverband VdK möchte Medienberichten zufolge gegen die Krankenhausreform klagen. In NRW gab es bereits 80 Klagen gegen die geplante Reform von CDU-Gesundheitsminister Karl Laumann, die oft als Vorbild für die Reform angesehen wird. Macht Ihnen das Sorgen?

Große Reformen werden immer beklagt. Dass gegen beide Reformen geklagt wird, zeigt nur, dass sich etwas ändert. So konnte es nicht weitergehen. Wir werden die Klagen gut überstehen, ich habe sogar damit gerechnet.

Ein weiteres Projekt, das viel Kritik erntet, ist die elektronische Patientenakte (ePA). Wie werden die Sicherheitsprobleme gelöst, die der „Chaos Computer Club“ im Dezember veröffentlicht hat?

Zunächst bin ich dem Chaos Computer Club dankbar, dass er die elektronische Patientenakte einem Stresstest unterzogen hat. Die laufende Pilotphase ist abgesichert. Da arbeiten nur Ärzte mit, die wir in den Regionen ausgesucht und registriert haben. Die ePA wird bundesweit erst ans Netz gehen, wenn sie sicher ist.

Welche Kriterien muss die ePA denn konkret erfüllen, sodass sie sicher bundesweit ans Netz gehen kann?

Ich entscheide das nicht alleine, sondern verlasse mich auf das fachliche Urteil vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Aber wir sind auf einem guten Weg. Momentan werden die Patientenakten angelegt. Dieser Prozess wird spätestens Anfang der Woche abgeschlossen sein. Ab dann können Patienten ihre Abrechnungsdaten einsehen und auch eigene Befunde hochladen. In einigen Wochen folgt dann der Roll-out mit der ePA-Anbindung an die Ärzte.

Für den Roll-out sind zwei Kriterien entscheidend: Zum einen muss sich die ePA in den Modellregionen bewähren. Zum anderen müssen die Sicherheitsfragen gelöst sein. Wenn bis dahin das BSI sagt, dass die Sicherheit ausreichend für den flächendeckenden Roll-out ist, dann machen wir es. Wenn nicht, dann nicht.

Wer ist verantwortlich, wenn ein Patient wegen einer gehackten Akte Anzeige erstattet?

Wenn in einer Praxis ein vom Praxisinhaber selbst verschuldetes Sicherheitsproblem auftritt, haftet der Praxisinhaber. Das tut er auch heute schon. Die Daten sind ja in seiner Praxissoftware.

Würden Sie auch den Geheimnisträgern der Bundesregierung, zum Beispiel den Abgeordneten, empfehlen, die ePA zu nutzen?

Ich habe keine Sicherheitsbedenken, auch nicht für die Geheimnisträger.

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