Entwicklung und Erprobung eines KI-basierten Spracherkennungssystems für die verbale Kommunikation in der Polytraumaversorgung (TraumAInterfaces)
Ressortforschung im Handlungsfeld „Digitalisierung“ mit Förderschwerpunkt „Digitale Innovationen“
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Motivation
Erleiden Menschen eine Kombination von lebensbedrohlichen Verletzungen, spricht man von einem Polytrauma. Jährlich gibt es bundesweit 20.000 – 35.000 Patientinnen und Patienten mit Polytraumata, die in speziellen Trauma Zentren versorgt werden müssen. Die Polytraumaversorgung erfordert eine erhebliche Vorhaltung von humanen, technischen und logistischen Ressourcen. Zudem ist das Polytrauma für die größten Verluste an potenziellen Lebens- und Arbeitsjahren bei unter 40-jährigen Personen verantwortlich. In dieser sehr relevanten und klinisch kritischen Umgebung müssen zur Rettung von Menschenleben in kürzester Zeit alle relevanten Informationen identifiziert und umgesetzt werden. Zur erfolgreichen Behandlung von Polytrauma Patientinnen und Patienten ist eine komplexe Versorgungskette erforderlich, die notwendigerweise die Zusammenarbeit vieler Disziplinen benötigt sowie unter großem Zeit- und Entscheidungsdruck erfolgt. Die verbale Kommunikation spielt dabei sowohl bei der Verständigung als auch der Informationsübertragung eine entscheidende Rolle.
Ziele und Vorgehen
Ziel des Projekts TraumAInterfaces ist, ein Spracherkennungssystem zur Kommunikationsunterstützung in der Extremsituation Polytraumaversorgung zu entwickeln und zu erproben. Dieses basiert auf künstlicher Intelligenz und beinhaltet Funktionen wie Erfassung, Verschriftlichung und Strukturierung der gesprochenen Kommunikation. Diese Informationen werden mittels intelligenter Systeme unter Nutzung von künstlicher Intelligenz analysiert und ausgewertet. Die Erprobung erfolgt realitätsnah. Dabei werden unterschiedliche Perspektiven und Akteure berücksichtigt.
Perspektiven für die Praxis
Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur anwendungsnahen Erforschung und Quantifizierung des Potentials smarter Kommunikations- und Entscheidungsunterstützungssysteme in der Polytraumaversorgung. Darüber hinaus werden digitale Innovationen im Gesundheitswesen erforscht und in der Praxis getestet. Durch den Einsatz von Spracherkennungssystemen sollen zukünftig Kommunikations- und Dokumentationsaktivitäten in der Polytraumaversorgung vereinfacht und verbessert werden. Gezielte Kommunikation und Dokumentation kann die Informationsweitergabe über Schnittstellen hinweg optimieren, die Behandlungsqualität erhöhen, Personal entlasten und eine gezieltere, personalisierte Behandlung jeder Patientin und jedes Patienten ermöglichen.
Ergebnisse
Im Rahmen des Projekts wurden zwei KI-Anwendungsfälle zur Kommunikationsunterstützung der Polytraumaversorgung entwickelt:
In einem Anwendungsfall befasste sich das Projekt mit der Aufnahme und Darstellung von relevanten Informationen während der Polytraumaversorgung. Im Vordergrund stand dabei eine digitale Live-Anzeige, die verbal ausgetauschte Informationen und Daten aufnimmt und diese in strukturierter Form zusammenfasst. In diesem Kontext wurde, basierend auf den Bedürfnissen und Anforderungen der Medizinerinnen und Mediziner, ein dreigeteilter digitaler Infoscreen entwickelt, welcher relevante Informationen wie das ABCDE-Schema, generelle Patienteninformationen oder auch Behandlungsempfehlungen in Echtzeit anzeigt.
Der zweite Anwendungsfall adressiert die automatische Prozess- und Informationsdokumentation im Traumaregisterbogen. Hierzu wurde ein Prompt-Template-Engine entwickelt, mit dessen Hilfe relevante Informationen auf den Formularen, basierend auf Sprachtranskripten, automatisch ausgefüllt werden können. In diesem Kontext wurde eine Schnittstelle zum Traumaregister für eine bessere Systemeinbindung konzipiert.
Die Projektergebnisse zeigen, dass insbesondere technologische Entwicklungen und Neuerung für große Sprachmodelle (z. B. GPT-3, GPT-4, Llama 3) vielversprechende Möglichkeiten bieten, um die Anwendungspotenziale und Unterstützungsqualität zu erhöhen. Für den klinischen Kontext ist allerdings darauf zu achten, Systeme zu nutzen, die datenschutzkonform agieren.
Verwertung
Das Projekt leistete einen wichtigen Beitrag zur anwendungsnahen Erforschung und Quantifizierung des Potenzials intelligenter Kommunikations- und Entscheidungsunterstützungssysteme in der Polytraumaversorgung. In diesem Kontext konnten digitale Innovationen im Gesundheitswesen erforscht und in der Praxis getestet werden. Durch den Einsatz von Spracherkennungssystemen sollen zukünftig Kommunikations- und Dokumentationsaktivitäten in der Polytraumaversorgung vereinfacht und verbessert werden. Das Projekt zeigt, das durch gezielte Kommunikation und Dokumentation die Informationsweitergabe über Schnittstellen hinweg optimiert werden kann, die Behandlungsqualität erhört, das klinische Personal entlastet und somit eine gezieltere, personalisierte Behandlung aller Patientinnen und Patienten ermöglicht werden kann.
Fakten zum Projekt
Projektleitung
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH)
Prof. T.-Oliver Salge, Ph.D.
Kackertstraße 7
52072 Aachen
Projektlaufzeit
01.10.2020 bis 31.01.2024
Das Projekt ist Teil des Förderschwerpunkts „Digitale Innovationen für eine patientenzentrierte Gesundheitsversorgung“.
Projektbeteiligte
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Fraunhofer - Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme
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Universität Witten/Herdecke
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Universitätsklinikum Aachen
Ansprechperson
Dr. Mario Paterno
DLR Projektträger
projekttraeger-bmg(at)dlr.de
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