Bundesregierung reagiert auf Lieferengpässe - Bundestag beschließt Arzneimittelreform
23. Juni 2023
Für Kinderarzneimittel werden die Preisregeln gelockert. Gleichzeitig müssen künftig Vorräte für rabattierte Arzneimittel angelegt werden. Das sind Inhalte des „Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (ALBVVG), das heute vom Bundestag beschlossen wurde.
Darüber hinaus können Apotheken nun leichter Ersatz für knappe Arzneimittel anbieten. Daneben wird die telefonische Krankschreibung, die sich in der Pandemie bewährt hat, unbefristet eingeführt. Außerdem wird den Bundesländern die Möglichkeit eröffnet, so genanntes Drug-Checking einzuführen.
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Das Lieferengpassbekämpfungsgesetz im Einzelnen:
- Für Kinderarzneimittel werden die Preisregeln gelockert: Festbeträge und Rabattverträge werden abgeschafft. Die pharmazeutischen Unternehmer können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages bzw. Preismoratoriums-Preises anheben. Zukünftig dürfen keine Festbetragsgruppen mehr mit Kinderarzneimitteln gebildet werden.
- Antibiotika mit Wirkstoffproduktion in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum müssen bei Ausschreibungen von Kassenverträgen zusätzlich berücksichtigt werden. Die Anbietervielfalt wird erhöht.
- Der Preisdruck durch Zuzahlungsbefreiungsregeln wird gesenkt: Statt heute 30 Prozent liegt die Zuzahlungsbefreiungsgrenze künftig bei 20 Prozent. Das bedeutet: Liegt der Preis mindestens 20 Prozent unter Festbetrag, kann der GKV-Spitzenverband Arzneimittel von der Zuzahlung freistellen. Der Preisdruck bei Festbeträgen wird dadurch gedämpft.
- Vereinfachung der Austauschregeln für Apotheken: Ist ein Arzneimittel nicht verfügbar, dürfen Apothekerinnen und Apotheker ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Für den Austausch sollen Apotheken und Großhändler einen Zuschlag erhalten. Können die Arzneimittel nur noch in Kleinpackungen abgegeben oder muss aus einer Packung eine Teilmenge entnommen werden, wird die Zuzahlung für die Versicherten auf die abgegebene Menge begrenzt.
- Preisinstrumente für versorgungskritische Arzneimittel können im Fall einer Marktverengung gelockert werden. Gibt es bei wichtigen Arzneimitteln zu wenig Anbieter, können Festbetrag oder Preismoratorium einmalig um 50 Prozent angehoben werden.
- Erhöhte verbindliche Bevorratungspflichten von Arzneimitteln. Pharmazeutischen Unternehmen wird für rabattierte Arzneimittel künftig eine sechsmonatige Lagerhaltung vorgeschrieben. Dies beugt kurzfristigen Lieferengpässen vor, gleicht gesteigerte akute Mehrbedarfe aus und stellt eine bedarfsgerechte Versorgung sicher. Auch Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken müssen ihre Vorräte bei parenteral anzuwendenden Arzneimitteln und Antibiotika zur intensivmedizinischen Versorgung aufstocken. Wenn bei Krebsarzneimitteln ein Engpass absehbar wird, gilt das auch für Apotheken, die daraus anwendungsfertige Zubereitungen herstellen. Darüber hinaus wird der Großhandel verpflichtet, die Bevorratung mit Kinderarzneimitteln auf vier Wochen zu erhöhen.
- Vorhandene Strukturen zur Bewältigung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln werden gestärkt: Das BfArM erhält zusätzliche Informationsrechte u.a. gegenüber Herstellern und Krankenhausapotheken. Zudem wird ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden Lieferengpässen eingerichtet.
- Verfügbarkeit neuer Reserveantibiotika: Die Regeln zur Preisbildung werden so angepasst, dass der finanzielle Anreiz für die Forschung und Entwicklung von neuen Reserveantibiotika für pharmazeutische Unternehmen verstärkt wird.
Darüber hinaus regelt das Gesetz:
- Gabe von Betäubungsmitteln durch Notfallsanitäter: Notfallsänitäterinnen und Notfallsanitäter können künftig Betäubungsmittel rechtssicher aufgrund standardisierter ärztlicher Vorgaben verabreichen, wenn dies im Notfall, z.B. zur akuten Schmerzbehandlung bei Unfällen, notwendig ist und kein Arzt /Ärztin greifbar ist.
- Telefonische Krankschreibung: Der Gemeinsame Bundesausschuss wird beauftragt, telefonische Krankschreibungen zu erlauben, wenn der Versicherte dem Arzt bekannt ist und es sich nicht um eine „schwere Symptomatik“ handelt.
- Drug-Checking: Es werden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, dass in den Bundesländern Modellvorhaben zu Drug-Checking durchgeführt werden können. Ziel der Maßnahme ist es, Drogennutzende besser aufzuklären und zu beraten, Schaden zu minimieren und einen besseren Überblick über das Geschehen vor Ort zu bekommen. Die Bundesländer sind für die weitere Umsetzung verantwortlich.