Vorläufige Finanzergebnisse der GKV für das Jahr 2024
Mit ihren vorläufigen Finanzergebnissen weisen die gesetzlichen Krankenkassen für das Jahr 2024 ein Defizit von rund 6,2 Mrd. Euro aus. Damit ist das Defizit gegenüber dem 1. bis 3. Quartal nochmal deutlich gewachsen.
Die Finanzreserven der Krankenkassen betrugen zum Jahresende 2024 nur noch 2,1 Mrd. Euro bzw. rund 0,08 Monatsausgaben und entsprachen damit nicht einmal mehr der Hälfte der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben.
Der Gesundheitsfonds verzeichnete im Jahr 2024 ein Defizit in Höhe von 3,7 Mrd. Euro. Die Liquiditätsreserve betrug zum 15. Januar 2025 rund 5,7 Mrd. Euro.
Das hohe Defizit der Krankenkassen in 2024 und der starke Anstieg der Zusatzbeiträge zu Jahresbeginn sind nicht nur Ergebnis eines inflationsbedingt hohen Anstiegs der Ausgaben für Personal und medizinische Leistungen. Sie sind auch darauf zurückzuführen, dass in den vergangenen Legislaturperioden versäumt wurde, das Gesundheitssystem zu modernisieren und die Strukturen für die Zukunft fit zu machen. Allein im Krankenhausbereich beträgt der Ausgabenanstieg im Jahr 2024 fast 9 Prozent bzw. mehr als 8 Mrd. Euro. Der Schlüssel zu stabilen GKV-Finanzen sind tiefgreifende Strukturreformen des Gesundheitswesens. Deswegen war es richtig, dass wir mit dem Digitalgesetz und der Krankenhausreform fundamentale Veränderungen angestoßen und wichtige Modernisierungsimpulse gesetzt haben. Ergänzend dazu müssen wir gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie etwa die medizinische Versorgung von Bürgergeldbeziehenden kostendeckend aus Steuer- und nicht aus Beitragsmitteln finanzieren. Auch der Bundeszuschuss zur pauschalen Abgeltung versicherungsfremder Leistungen, der seit 2017 nicht mehr angehoben wurde, sollte regelhaft dynamisiert werden, um einer weiteren Entwertung entgegenzuwirken. Wir müssen verhindern, dass die Beitragssätze weiter steigen. Dafür müssen die Strukturreformen weiter umgesetzt und mehr Steuermittel in die Hand genommen werden.
Den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 320,6 Mrd. Euro standen Ausgaben in Höhe von 326,9 Mrd. Euro gegenüber. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,3 Prozent einen Zuwachs von 7,7 Prozent. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz lag nach unterjährigen Anhebungen der Zusatzbeitragssätze zum Jahresende 2024 mit 1,82 Prozent oberhalb des Ende Oktober 2023 für das Jahr 2024 bekannt gegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes von 1,7 Prozent.
Unterschiedliche Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten
Alle Kassenarten wiesen im Jahr 2024 Defizite aus. Dieses betrug bei den Ersatzkassen 2,5 Mrd. Euro, bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen 1,6 Mrd. Euro, bei den Betriebskrankenkassen 1,4 Mrd. Euro, bei den Innungskrankenkassen 662 Mio. Euro, bei der Knappschaft 99 Mio. Euro und bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse 22 Mio. Euro.
Ergebnis des Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds verzeichnete im Jahr 2024 ein Defizit in Höhe von 3,7 Mrd. Euro. Das Defizit resultiert maßgeblich aus einer Maßnahme des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes: Durch die Absenkung der Obergrenze der Liquiditätsreserve wurden 2024 insgesamt rund 3,1 Mrd. Euro an die Krankenkassen ausgeschüttet, um die Zusatzbeitragssätze der Krankenkassen zu stabilisieren. Die Liquiditätsreserve zum 15. Januar 2025 betrug rund 5,7 Mrd. Euro. Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Jahr 2024 im Vergleich zum Jahr 2023 um 5,6 Prozent. Verantwortlich für die hohen Zuwächse bei den Beitragseinnahmen sind insbesondere inflationsbedingt kräftige Lohnsteigerungen.
Entwicklungen bei den Ausgaben
Die Krankenkassen verzeichneten im Jahr 2024 bei einem Versichertenzuwachs von 0,3 Prozent einen Zuwachs der Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 7,7 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 8,1 Prozent, die Verwaltungskosten reduzierten sich um 0,6 Prozent. Damit hat sich die Ausgabendynamik sowohl gegenüber dem Vorjahr (2023: +5,0 Prozent) als auch gegenüber den vorläufigen Rechnungsergebnissen im 1.-3. Quartal 2024 (+7,5 Prozent) beschleunigt. Die Ausgabendynamik zeigt sich dabei in vielen Leistungsbereichen gegenüber dem langjährigen Schnitt deutlich erhöht, was insbesondere auch an der in der GKV zeitlich nachgelagert wirkenden Inflation liegt, welche 2024 für hohe Preis- und Vergütungsanpassungen sorgte. In absoluten Zahlen stiegen die Leistungsausgaben und Nettoverwaltungskosten der Krankenkassen im Jahr 2024 um 23,3 Mrd. Euro.
Maßgeblich beeinflusst wurde diese äußerst dynamische Entwicklung durch die Aufwendungen für Krankenhausbehandlungen, die um rund 8,1 Mrd. Euro (+8,7 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr wuchsen. Im isolierten 4. Quartal 2024 betrug das Wachstum 11,1 Prozent gegenüber dem 4. Quartal 2023. Der entsprechende Ausgabenanstieg von 2,7 Mrd. Euro allein im 4. Quartal lag damit höher als der in den Jahren 2022, 2020 und 2018 jeweils im Gesamtjahr verbuchte Ausgabenanstieg. Ein besonders dynamisches Wachstum wird erneut bei den Pflegepersonalkosten verzeichnet, welche im 1.-4. Quartal um 2,6 Mrd. Euro (+13,1 Prozent) gestiegen sind. Zwar wuchsen die Krankenhausausgaben ohne Pflegepersonalkosten mit +7,5 Prozent weniger stark, jedoch stellt auch dies eine im langjährigen Vergleich hohe Dynamik dar.
Noch dynamischer ist der Ausgabenanstieg im Bereich der Arzneimittel, welcher unter anderem aufgrund der in 2024 ausgelaufenen (einmaligen) Anhebung des Herstellerrabattes in 2023 um 9,9 Prozent (+5,0 Mrd. Euro) gewachsen ist. Die Brutto-Aufwendungen für Arzneimittel ohne Rabatte wuchsen gegenüber dem Vorjahr um rund 7 Prozent (+4,2 Mrd. Euro). Dies stellt den stärksten Anstieg seit über 10 Jahren dar. Hervorzuheben ist dabei die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser Versorgungsform, stiegen die Leistungsausgaben für Arzneimittel im Rahmen der ASV um rund 30 Prozent bzw. 723 Mio. Euro. Auch die Arznei- und Verbandmittel aus Versandhandel entwickelten sich sehr dynamisch (+59,7 Prozent bzw. +246 Mio. Euro).
Die Aufwendungen für ambulant ärztliche Behandlungen verzeichneten einen Anstieg von +6,3 Prozent bzw. +3,0 Mrd. Euro. Stark überdurchschnittlich wuchsen dabei die Aufwendungen für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung durch Vertragsärzte und im Krankenhaus (+24,7 Prozent bzw. +119 Mio. Euro), in der hausarztzentrierten Versorgung (+11,2 Prozent bzw. +214 Mio. Euro), für die ärztliche Behandlung in Hochschulambulanzen (+10,7 Prozent bzw. +139 Mio. Euro), die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (+16,7 Prozent bzw. +126 Mio. Euro) sowie für ärztliche Leistungen im Rahmen der integrierten Versorgung (+10,1 Prozent bzw. +127 Mio. Euro). Ohne die genannten Bereiche entwickelte sich der ärztliche Bereich mit +2,2 Mrd. Euro (+5,4 Prozent).
Viele kleine und mittlere Leistungsbereiche verzeichneten ebenfalls ein äußerst dynamisches Ausgabenwachstum. Deutlich überproportional gestiegen sind die Ausgaben im Bereich Behandlungspflege und häusliche Krankenpflege einschließlich der außerklinischen Intensivpflege (+12,7 Prozent bzw. +1,2 Mrd. Euro), bei den Heilmitteln (+10,4 Prozent bzw. +1,3 Mrd. Euro) sowie bei den Aufwendungen für Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen (+10,7 Prozent bzw. +450 Mio. Euro) sowie für Schutzimpfungen (+10,9 Prozent bzw. +314 Mio. Euro).
Dem stehen nur wenige Bereiche mit einem moderaten Wachstum gegenüber. Dies gilt beispielsweise für die Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen (+3,1 Prozent bzw. +418 Mio. Euro) und Zahnersatz (+3,8 Prozent bzw. +151 Mio. Euro). Die Vergütungsanstiege für zahnärztliche Behandlungen unterlagen im Jahr 2024 noch begrenzenden Regelungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes.
Erfreulich an der Entwicklung im 1.-4. Quartal 2024 ist der kräftige Schub bei der Ambulantisierung. So verbuchten die Krankenkassen im ersten Jahr der Hybrid-DRG bereits Ausgaben in Höhe von rund 563 Mio. Euro für diese neue sektorenübergreifende Versorgungsform. Davon entfällt mit 432 Mio. Euro ein Großteil auf die Krankenhäuser, die starke Rückgänge bei den entsprechenden vollstationären DRG-Abrechnungspositionen verzeichnen. Doch auch die ambulanten Operationen nach AOP-Katalog verzeichnen im Krankenhaus (+17,2 Prozent bzw. +144 Mio. Euro) und bei den Vertragsärzten (+9,4 Prozent bzw. +215 Mio. Euro) ein kräftiges Wachstum (insgesamt +11,5 Prozent).
Die Netto-Verwaltungsausgaben verminderten sich für das Jahr 2024 um 74 Mio. Euro (-0,6 Prozent). Der Saldo aus Zuführungen und Entnahmen für Altersrückstellungen betrug lediglich 57 Mio. Euro (2023: 772 Mio. Euro). Lässt man die Altersrückstellungen unberücksichtigt, stiegen die Netto-Verwaltungsausgaben um 641 Mio. Euro (+5,3 Prozent). Die persönlichen Verwaltungsausgaben (ohne Altersrückstellungen) nahmen um 4,1 Prozent zu und die sächlichen Verwaltungsausgaben um 6,3 Prozent.
Bei der Interpretation der vorläufigen Rechnungsergebnisse ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, zu einem gewissen Grad noch von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten für den betrachteten Zeitraum häufig nur teilweise vorliegen. Auch die Aufwendungen für das Pflegebudget im Krankenhaus sind aufgrund der für einen Teil der Krankenhäuser noch nicht vorliegenden Abschlüsse der Verhandlungspartner vor Ort teilweise von Schätzungen geprägt.
Weitere Entwicklung
Die endgültigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr 2024 werden ebenso wie die Daten des 1. Quartals 2025 Mitte Juni 2025 vorliegen.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat auf Basis der Prognose des GKV-Schätzerkreises vom 14. und 15. Oktober einen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2025 von 2,5 Prozent bekanntgegeben. Dies entspricht einem Anstieg von 0,8 Prozentpunkten gegenüber dem für 2024 bekanntgegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von 1,7 Prozent.
Die Festsetzung der von den Krankenkassen erhobenen kassenindividuellen Zusatzbeitragssätze liegt in der Entscheidung der Krankenkassen. Zum 1. Januar 2025 haben 82 Krankenkassen ihre Beitragssätze erhöht, bei 11 Krankenkassen ist der Zusatzbeitragssatz unverändert geblieben, da zum Teil bereits im Jahresverlauf 2024 Anhebungen erfolgten. Der von den Krankenkassen zum 1. Januar 2025 durchschnittlich erhobene Zusatzbeitragssatz liegt mit 2,92 Prozent oberhalb des vom BMG bekanntgegebenen durchschnittlichen ausgabendeckenden Zusatzbeitragssatz. Hierfür ist insbesondere ursächlich, dass die Krankenkassen ihre Finanzreserven, die im Laufe des Jahres 2024 aufgrund der unerwartet starken Ausgabenentwicklung nahezu vollständig abgeschmolzen wurden, wieder auffüllen müssen.