Spahn: "Potenziale der Digitalisierung besser nutzen"
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag zur 1. Lesung des Gesetzentwurfs zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege
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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Diese Krise, diese Pandemie, schärft unser Bewusstsein dafür, wie wichtig, wie wertvoll Innovationen in unserem Gesundheitswesen sind. Investitionen in Innovationen sind eine Versicherung, eine Vorsorge für uns alle. Dabei geht es auch darum - das spüren wir in dieser Pandemie, manchmal auch schmerzhaft -, die Potenziale der Digitalisierung besser zu nutzen.
Wir haben bereits vor der Pandemie in dieser Legislatur gemeinsam begonnen, bei der Digitalisierung einen sehr klaren Schwerpunkt auf die Gesundheitspolitik zu setzen: mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz, mit dem Start der elektronischen Patientenakte am 1. Januar dieses Jahres - nach 16 Jahren wurde endlich damit begonnen - oder mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz. Wir wollen jetzt mit diesem Gesetz, das wir erstmalig beraten, weitere Schritte gehen. Ich will kurz drei Bereiche nennen.
Zum Ersten soll die Telemedizin weiter ausgebaut werden. Die Telemedizin, das Vernetztsein von zum Beispiel Maximalversorgern wie Unikliniken oder Schwerpunktversorgern mit den Kliniken in der Fläche, in der Region, sodass man sich direkt aufschalten kann, hat gerade in der Intensivmedizin bei Covid-19-Erkrankungen in dieser Pandemie geholfen. Deswegen bin ich sehr froh, dass es gelungen ist, für die nächsten Monate entsprechende Regelungen aufzusetzen, und das Gesetz soll das insgesamt weiter stärken.
Es geht dabei zum Beispiel um Videosprechstunden. Ein Vergleich zeigt: Während es in 2019 nur wenige Tausend Videosprechstunden zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten in Deutschland gegeben hat, waren es allein im zweiten Quartal 2020 über eine Million. Das zeigt, dass in der Pandemie, wo es darum geht - wir haben es gerade vom Kollegen Albani und anderen gehört -, Kontakte zu reduzieren, viele Videosprechstunden genutzt haben.
Viele der Patient-Arzt-Kontakte sind vor allem Kontakte, um Dinge abzuklären, um ein Stück Sicherheit zu bekommen - Dinge, bei denen es eben auch möglich ist, das per Videosprechstunde zu machen. Das ersetzt nicht in allen Fällen die Behandlung, aber es gibt eben Sicherheit für die Patientinnen und Patienten, und deswegen wollen wir den Anteil möglicher Videosprechstunden von 20 Prozent auf 30 Prozent anheben und sie auch für andere Versorgungsbereiche, wie den Bereich der Hebammen und auch den Heilmittelbereich, möglich machen.
Es geht hier auch um die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Dass das Sinn macht, haben wir in der Pandemie auch erlebt.
Beides sind übrigens Beispiele für Digitalisierung, die im Alltag erlebbar wird. Es geht nicht um theoretische Debatten übers Digitalisieren und anderes mehr; es geht darum, das im Alltag erlebbar zu machen. Akzeptanz wird dann geschaffen, wenn es das Leben für alle Beteiligten leichter und besser macht.
Zweiter großer, wichtiger Punkt sind die digitalen Pflegeanwendungen. Wir haben mit den digitalen Gesundheitsanwendungen - Stichwort „Apps auf Rezept“ - begonnen. Dabei geht es vor allem darum, die Kosten für Apps von den Krankenkassen erstattet zu bekommen, die einen Unterschied machen. Es geht nicht um Gimmick und auch nicht um den Schrittzähler alleine. Es geht zum Beispiel um digitale Anwendungen, Apps, in der Psychotherapie, die tatsächlich - auch nachgewiesenermaßen - einen Behandlungserfolg zeigen. Solche Apps wollen wir auch in der Pflege - etwa zur Unterstützung beim Training zur Sturzprävention und mit Gedächtnisspielen bei Demenz. Diese machen nachgewiesenermaßen tatsächlich einen Unterschied, sodass sie auch Bestandteil des Leistungskataloges werden und die Patienten eben einen Anspruch auf diese Unterstützung haben.
Der dritte wichtige Bereich - neben anderen - in diesem Gesetzentwurf ist die elektronische Verordnung von Arzneimitteln, das E-Rezept. Es gibt kaum noch einen Bereich in Deutschland, in dem jeden Tag so viel Papier hin- und her- und weitergeschoben wird, wie im Bereich der Rezepte - zigmillionenfach jeden Tag, und das im Jahr 2021.
Deswegen setzen wir das E-Rezept gerade um, Herr Kollege - beginnend am 1. Juli 2021. Das steht schon im Gesetz, und wir entwickeln es weiter, nämlich auch in Richtung Rezepte für Betäubungsmittel, Heilmittel und Hilfsmittel, die digitalisiert werden.
Diese Koalition hat das gemacht, was verschiedene Gesundheitsminister und durchaus auch Gesundheitspolitiker in den Vorjahren nicht umgesetzt haben. Wir haben aus einer theoretischen Debatte eine konkrete gemacht. Das E-Rezept kommt am 1. Juli.
Ja, diese Pandemie lehrt uns vieles - auch, wo wir stark sind im Gesundheitswesen. Und wir sind stark - mit einer Struktur, die robust und widerstandsfähig ist. Es gibt kaum ein Gesundheitssystem in einem Land vergleichbarer Größe und geografischer Lage, das in den letzten zwölf Monaten nicht überlastet war. Das deutsche war es nicht. Es war stark belastet, aber wir konnten zu jeder Zeit alle Patientinnen und Patienten behandeln und sogar noch Patienten aus den Nachbarländern aufnehmen. Das ist eine Stärke, die wir gesehen haben.
Wir haben aber auch gesehen, wo wir besser werden müssen: bei der Fachkräfteversorgung, bei der Vorsorge, aber vor allem auch bei der Digitalisierung: das DIVI-Intensivregister, SORMAS, die Vernetzung der Gesundheitsämter. Auch diese Vernetzung ist übrigens historisch. Nach 70 Jahren Bundesrepublik setzen wir das Vernetzen der Gesundheitsämter gerade in diesen Wochen endlich final um, aber wir sorgen eben auch dauerhaft für die 20er-Jahre für mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen.
Dem dient dieser Gesetzentwurf, und deswegen bitte ich um gute Beratungen.