Spahn: „Wir müssen in der Pandemie schnell und flexibel reagieren können“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag zur 2./3. Lesung zum Entwurf des Epi-Lage-Fortgeltungsgesetzes
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Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Alle sehnen sich das Ende dieser Pandemie herbei: die Zwölfjährige, die endlich wieder normal in die Schule gehen will und am Nachmittag ihre Freunde vermisst, die 90-Jährige im Pflegeheim, die gerne wieder unbesorgt Besuch von Kindern, Enkeln und Urenkeln hätte, der freiberufliche Musiker, dessen Existenz von Konzerten abhängt, die aktuell nicht stattfinden können – drei von unzähligen Beispielen. Ich kenne niemanden, der diese Pandemie nicht leid ist.
Niemand möchte Einschränkungen einen Tag länger als nötig. Aber wir sind noch in einer besonderen Lage. Die Pandemie ist noch nicht am Ende. Das zeigen die Zahlen zur Belegung der Intensivstationen, die Zahl der Covid 19-Patienten, die immer noch zu behandeln sind. Das zeigen die Infektionszahlen. Das zeigt im Übrigen auch der Blick in unsere europäischen Nachbarländer. Deshalb ist es richtig, wenn wir als Bundestag heute feststellen, dass die epidemische Lage weiterhin andauert; denn das entspricht der Lage.
Auch wegen der Mutationen ist die Lage dynamisch. Das Virus verändert sich. Die flexible Anpassung bleibt daher notwendige Strategie. Gerade in dieser schwierigen Phase - Frau Klein-Schmeink hat darauf hingewiesen - ist es schwierig, die richtige Balance zu finden. Es gibt ein Bedürfnis nach Normalität. Wir spüren ja alle nach zwölf Monaten der Pandemie diese Sehnsucht nach Normalität, wissen, dass viele Nerven wundgescheuert sind, und sehen gleichzeitig die Notwendigkeit, diese Pandemie unter Kontrolle zu halten.
Und wir ringen – Abgeordnete, Fraktionen, Ministerpräsidenten –; wir suchen den Ausgleich der Interessen, so wie gestern zehn Stunden lang Bund und Länder. Es geht ja um was. Deswegen ist es auch richtig, dass gerungen wird. Es geht nicht um absolute Wahrheiten; es geht um Abwägen und das Finden der richtigen Balance. Nicht der Einzelne gewinnt bei solchen Abwägungen, sondern wir gemeinsam, weil es um Schadensbegrenzung geht, um die Balance zwischen Gesundheitsschutz, wirtschaftlichen Folgen und sozialen Härten.
Dreh- und Angelpunkt ist die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag. Das Parlament überführt die Rechtsgrundlage für diese Feststellung nun in eine dauerhafte Regelung. Erstmalig haben wir damit eine Pandemiegesetzgebung in Deutschland fest verankert. Das ist eine neue Qualität, ein großer Schritt.
Es ist ein Schritt, mit dem wir aus dieser noch währenden Pandemie weiter Schlüsse ziehen wollen. Der Bundestag hat sich mit dem Gesetz selbst aufgegeben, diese Rechtsgrundlage nach Ende der Pandemie gemeinsam mit der Bundesregierung weiterzuentwickeln. Aber die Grundlage ist gelegt.
Von den vielen wichtigen Regelungen will ich auf zwei eingehen: Ich bin dankbar, dass Bund und Länder gestern unseren Vorschlägen – auch meinen Vorschlägen – zum Testen und zum Impfen gefolgt sind. Es stehen mehr Tests zur Verfügung. Bei den Schnelltests übersteigt das Angebot mittlerweile deutlich die Nachfrage.
Die Selbsttests werden in den nächsten Tagen nach den ersten Zulassungen an vielen Stellen im Land – nach und nach, es wächst auf - verfügbar sein. Ab nächstem Montag, dem 8. März – tatsächlich eine Woche später –, wird der Bund die Kosten für einen Bürgertest übernehmen. Alle können sich regelmäßig kostenlos in einem der Testzentren vor Ort testen lassen. Die Länder haben deutlich gemacht, dass das Angebot nicht gleich überall gleichmäßig vorhanden sein wird, aber sehr viele Länder haben auch gesagt, dass sie startklar sind.
Wir setzen auf Vielfalt vor Ort. Die Maßnahmen werden pragmatisch, flexibel und kreativ umgesetzt, in Böblingen, in Tübingen, in Schmalkalden und in vielen anderen Landkreisen bereits. Der Bund setzt den Rahmen, rechtlich und finanziell. Der Bund übernimmt die Kosten, umgesetzt wird vor Ort. Dafür muss der Bund gar nicht, wie ich heute lese, die Tests zentral beschaffen. Eine zentrale Planung wird den Gegebenheiten vor Ort meist nicht gerecht. Die Tests sind verfügbar. Wir setzen den Rahmen. Wir haben eine gemeinsame Strategie, in welchen Kontexten wer wie häufig getestet wird, und das wird dann vor Ort gelebt. Das ist bis jetzt ein sehr gutes Erfolgsrezept in dieser Pandemie. Das setzten wir auf der Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfs fort.
Zum Impfen. Impfen wirkt, das sehen wir jetzt schon. Der Kollege Henke hat darauf hingewiesen: Über 5,5 Prozent der Deutschen sind geimpft, zuerst die besonders Verwundbaren. Die täglichen Meldungen zeigen, dass der Schutz wächst. Ab April werden die Arztpraxen routinemäßig mitimpfen, jeden Tag Zigtausende, Hunderttausende, später Millionen. Wir müssen schneller werden. War der Impfstoff am Anfang knapp, kommt er jetzt in steigender Menge. Vorhandene Impfdosen müssen schnellstmöglich verimpft werden: in den Impfzentren der Länder, in den Arztpraxen und später auch bei den Betriebsärzten. Das ist die berechtigte Erwartung der Bürgerinnen und Bürger. Das ist auch meine Erwartung, das ist auch mein Ziel als Bundesminister für Gesundheit.
Auch der Rahmen für das Impfen, die Organisation, die Finanzierung, die noch notwendige Priorisierung - all das fußt auf diesem Gesetz und auf der Feststellung der epidemischen Lage.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist nun: Umsicht beim Öffnen hin zu mehr Normalität, mehr testen, um den Weg zu mehr Normalität abzusichern, und schneller impfen, um den beschwerlichen Weg raus aus der Pandemie unumkehrbar zu machen.
Das wird nun das zweite Frühjahr in der Pandemie - wir sind noch mittendrin, das Virus hat noch nicht aufgegeben –, aber alles spricht dafür, dass das das letzte Frühjahr in dieser Pandemie wird. Umsicht, Testen und Impfen machen das möglich. Dafür legt der vorliegende Gesetzentwurf die Grundlage. Daher bitte ich um Ihre Zustimmung.