Lauterbach: „Wir müssen die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern.“

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach spricht im Deutschen Bundestag zur 1. Lesung des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes

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Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um das Pflegeentlastungsgesetz. Oft ist es bei Gesetzen ja so, dass man nicht weiß, was sich hinter dem Namen des Gesetzes verbirgt. Hier könnten die Dinge nicht einfacher sein: Es geht um die Entlastung in der Pflege. Und weshalb brauchen wir die Entlastung in der Pflege? Die Situation in der Pflege stellt sich seit Jahren so dar, dass die Pflege belastet ist, und zwar zunehmend belastet ist. Das hat sich durch die Pandemie eher verstärkt und verschlechtert. Das gilt nicht nur für die Krankenhauspflege, sondern auch für Langzeitpflege.

Wir beschäftigen uns heute aber insbesondere mit der Krankenhauspflege. Hier haben wir eine mehrfache Belastung. Wir haben zum einen im internationalen Vergleich sehr viele stationäre Betten, wir haben sehr viele Eingriffe, die eigentlich auch ambulant erbracht werden könnten, und wir haben lange Liegedauern. Zum anderen ist die Pflege in Deutschland so strukturiert, dass viele Aufgaben, die eigentlich der Pflege vorbehalten sein könnten, nicht von der Pflege erbracht werden dürfen. Somit wird die Pflege in vielerlei Hinsicht nicht so genutzt, wie sie genutzt werden könnte.

Zu viele stationäre Aufenthalte, die Pflege wird nicht voll in den Bereichen erbracht, in denen sie helfen könnte, und eine Dauerbelastung: Was kann dieses Gesetz beitragen, um dieser Problematik Herr zu werden? Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern. Dazu muss erst einmal stationsgenau festgehalten werden: Wie ist die Belastungssituation? Das kann man tun, indem man dokumentiert, welche Pflege notwendig wäre, und das mit der Pflege, die vorhanden ist, vergleicht. Daraus kann man dann die tatsächliche Belastung ableiten. Wenn man das abgeleitet hat, dann soll es nicht dabei bleiben, sondern eine Entlastung folgen. Diese Entlastung kann zum Beispiel darin bestehen, dass mehr freie Tage eingeführt werden, dass Schichten abgebaut werden, dass mehr Urlaub gewährt wird, oder in einer besseren Vergütung. Wenn es nicht anders geht, dann können bestimmte Leistungen, die nur erbracht werden können, weil die Pflege überlastet ist, nicht mehr angeboten werden. Da muss man ganz ehrlich sagen: Dann ist auch die eine oder andere Operation nicht mehr durchzuführen. Wenn eine überflüssige Operation auf Kosten der Pflege durchgeführt wird und dies zu einer dauerhaften Überlastung der Pflege beiträgt, dann ist das nicht hinzunehmen.

Somit kann man das Gesetz auch wie folgt beschreiben: Wir machen hier ernst mit einer Entlastung der Pflege. Wir dokumentieren die Überlastung. Wir führen Sanktionen ein, und diese Sanktionen können dann auch so weit gehen, dass bestimmte Leistungen nicht mehr erbracht werden können. So weit sind wir bereit zu gehen.

Das dafür genutzte Instrument PPR 2.0 ist das Ergebnis der Konzertierten Aktion. Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir das umsetzen wollen. Das machen wir jetzt. Es wird aber nicht die einzige Maßnahme sein, mit der wir die Pflege entlasten werden.

Wir haben zunächst einmal die Situation, dass viele Eingriffe, die in Deutschland stationär durchgeführt werden, mit einer Übernachtung verbunden sind, obwohl die Übernachtung medizinisch eigentlich gar nicht indiziert ist und oft mehr Probleme bringt als löst. Daher wollen wir, dass die DRG-Fallpauschale auch für eine stationäre Versorgung ohne Übernachtung abgerechnet werden kann, und wir wollen insbesondere die Schichtdienste in der Pflege abbauen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben dann weniger Schichtdienste in der Pflege. Das wäre eine wesentliche Entlastung.

Zum Zweiten. Wir wollen genau prüfen, welche Eingriffe möglicherweise ganz ohne eine stationäre Versorgung möglich sind. Daher dehnen wir den Katalog von Leistungen aus, die auch ambulant erbracht werden können, derzeit aber stationär erbracht werden, um den stationären Bereich auf das zu reduzieren, was medizinisch notwendig ist.

Zum Dritten. Wir wollen darüber hinaus die Pflege so gestalten, dass Pflegekräfte auch die Leistungen erbringen können, für die sie ausgebildet worden sind. In Deutschland ist die Ausbildung oft viel besser als das, was in der Pflege dann geleistet werden kann, weil viele Eingriffe, viele Verrichtungen den Pflegekräften nicht erlaubt sind, obwohl sie diese sehr gut vornehmen könnten. Wir wollen daher den Beruf professionalisieren und stärker akademisieren, um ihn in voller Blüte zum Tragen kommen zu lassen.

Wir verfolgen mit diesem Vorhaben also mehrere Achsen gleichzeitig: Entlastung der Pflege durch den Abbau von Schichten in der Nacht, die Einführung eines Pflegeentlastungsinstruments, mit dem wir die Überlastung sichtbar machen und Sanktionen ermöglichen, und eine bessere Nutzung der Pflege, indem wir die Pflegekräfte auch Leistungen erbringen lassen, für die sie erstklassig ausgebildet sind, die sie bisher aber nicht erbringen durften. Das wird den Beruf attraktiver machen.

Ich komme zum Schluss. - Dieses Gesamtpaket ist aus meiner Sicht aus einem Guss. Es ist ein Paket, für das wir auch bereit sind Geld in die Hand zu nehmen; denn bessere Pflege ist teurer - auch das muss hier gesagt werden -, wird aber insbesondere zu einer besseren Versorgung führen. Wir werden daran lange arbeiten und mehrere Gesetzentwürfe hintereinander einbringen. Aber dieses kurzfristig vorgelegte Pflegeentlastungsgesetz ist wirklich etwas, worauf die Pflege schon sehr lange wartet. Wir werden es schnell einführen und damit die Transparenz schaffen, die wir benötigen, um die Pflege zu entlasten.

Aber auch jetzt ist nicht alles schlecht. Weil wir diese Schritte gehen und jeder weiß, dass wir Ernst machen, ist die Zahl der Auszubildenden in der Pflege wieder gestiegen, ist die Zahl der Vollzeitkräfte in der Pflege wieder gestiegen, und auch die Bezahlung steigt. Somit ist nicht alles schlecht. Wir gehen nach vorne - etwas langsamer, als es sein müsste -; aber man darf die Pflege nicht kleiner reden, als sie ist. Ohne die Pflege wären wir niemals so durch die Pandemie gekommen. Die deutsche Pflege steht stark, und wir werden sie weiter stärken.

Vielen Dank.

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