Lauterbach: Heute machen wir einen ersten Schritt in Richtung einer vernünftigen Drogenpolitik
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach spricht im Bundestag zur 1. Lesung zum Cannabisgesetz.
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Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wo stehen wir derzeit mit unserer Cannabispolitik? Sind wir erfolgreich? Können wir so weitermachen, wie wir bisher verfahren sind?
Was sieht die ehrliche Bilanz aus, wo wir derzeit stehen? Wir müssen einräumen: Wir sind mit dem, was wir bisher gemacht haben, gescheitert. Wir sind auf dem Holzweg.
Und das gilt für alle Bereiche, die wir uns anschauen. Fangen wir mal damit an: Cannabis ist verboten, aber der Konsum nimmt stetig zu. Nimmt er zu in den Gruppen, wo er besonders gefährlich ist? Ja. Wir haben zunehmenden Konsum bei Kindern und bei Jugendlichen.
Wir haben zunehmenden Konsum bei jungen Erwachsenen. Das heißt, der Konsum nimmt besonders dort zu, wo er den größten Schaden anrichtet.
Wir haben darüber hinaus Sonderprobleme. Wir haben einen stetig steigenden THC-Gehalt, der mittlerweile so hoch ist, dass der reine Cannabiskonsum sehr toxisch ist. Wir haben darüber hinaus Beimengungen, und wir haben Verunreinigungen. Die Beimengungen sind zum Teil so gezielt ausgeführt, dass damit die Abhängigkeit gesteigert und der Übergang in andere Drogen erleichtert werden soll.
Wir haben einen wachsenden Schwarzmarkt. Wir haben eine überlastete Polizei und somit weniger Ermittlungstätigkeit. Wir haben keine Erfolge. Und wir haben mittlerweile die Situation, dass sich 50 Prozent der Drogendelikte auf Cannabis beziehen. Was ist also die Bilanz, wenn wir ehrlich sind? Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Die Probleme gleiten uns aus der Hand.
Wir brauchen eine vernünftige Drogenpolitik, und die muss sich davon fernhalten, dass wir in Bierzeltmanier so tun, als käme jetzt die Legalisierung mit der Folge, dass nun der Konsum starten würde. Der Konsum ist da. Er war noch nie so gefährlich wie heute, und es wurden noch nie junge Menschen so gezielt ins Visier genommen, wie das jetzt der Fall ist.
Da brauchen wir eine Konzertierte Aktion, und dafür werden wir heute den ersten Schritt tun.
Unser Gesetz lässt sich ganz simpel zusammenfassen. Manchmal sieht man ja den Wald vor lauter Bäumen nicht. Was soll hier also erreicht werden? Das ist ganz simpel. Wir wollen erstens eine gezielte Ansprache von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit der Nachricht: Cannabiskonsum ist schädlich, insbesondere für das wachsende Gehirn. – Und das Gehirn wächst ja bis zum 25. Lebensjahr.
Mit dieser gezielten Nachricht machen wir eine Vorbeugepolitik, die bisher gefehlt hat. Sie hat gefehlt in den Schulen, sie hat gefehlt in der öffentlichen Auseinandersetzung, und sie hat auch hier im Bundestag gefehlt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie hat auch hier gefehlt.
Zum Zweiten wollen wir den Konsum für Erwachsene, die informiert konsumieren, sicherer machen. Das heißt, wir wollen tatsächlich sicherstellen, dass die Dosierung ohne toxische Beimengung ist, dass der Konsum mit überschaubaren Konzentrationen stattfindet, gerade für die jüngeren Leute bis 21. Wir wollen gezielt jeden Verkauf an Kinder und Jugendliche nicht nur verbieten, sondern auch viel besser kontrollieren. Die Kontrollarbeit soll sich in Zukunft auf Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene konzentrieren statt auf die Schwarzmärkte, die derzeit komplett unreguliert sind und die Arbeit von Ermittlungs- und auch Verwaltungsbehörden fesseln. Wir wollen die Vorbeugearbeit konzentrieren auf junge Menschen; da wird sie besonders gebraucht und ist wirksam.
Wir werden heute noch oft hören, dass gesagt wird: Dort, wo die Legalisierung gekommen ist, ist sie gescheitert. Der Schwarzmarkt konnte nicht zurückgedrängt werden. Das ist einfach falsch.
Wir werden das noch oft hören. Ich will es aber nur sagen, damit man es sich auch gut merken kann: Der Schwarzmarktkonsum ist beispielsweise in Kanada nach der Legalisierung zurückgegangen. 80 Prozent des Konsums speisen sich jetzt aus legalem Konsum.
Der Schwarzmarktanteil ist auf 20 Prozent des Konsums zurückgedrängt worden. Und es ist auch falsch – das werden wir heute auch hören –, dass der Konsum bei Kindern und Jugendlichen zugenommen hätte.
Es sind lediglich mehr Krankenhauseinweisungen festgestellt worden, weil dort der Konsum mit Edibles ein großes Problem ist. Aber wir lernen aus den Erfahrungen anderer Länder und werden einen sicheren Weg gehen.
Wir werden aufklären, und wir werden nachher reduzierten Konsum bei Hochrisikomenschen haben. Wir werden bei Kindern und Jugendlichen bessere Prävention haben. Für Erwachsene, die das vernünftig, selbstbewusst und mit entsprechendem Risikobewusstsein handhaben, ist es dann eben erlaubt. Aber da machen wir den Konsum so sicher, dass man Cannabis konsumieren ohne Schwarzmarkt, ohne Drogendelikte und ohne Drogenkriminalität kann.