Lauterbach: „Wer ein Intensivbett benötigt, muss es bekommen - auch in der Pandemie“

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach spricht im Bundestag zur 2./3. Lesung des Gesetzes zur „Triage-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts

14. November 2022

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Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es heute mit einem wichtigen Gesetzentwurf zu tun, bei dem es um die Belange von Menschen mit Behinderungen geht. Von daher möchte ich zunächst einmal den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen ganz herzlich hier begrüßen. Es geht um die Allokation, die Zuteilung, von knappen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten, sogenannte Zuteilungsentscheidungen, im Volksmund auch „Triage“ genannt.

Lassen Sie mich bitte vorweg erst einmal sagen: Gott sei Dank ist es so gewesen, dass wir im Rahmen der Pandemie die Triage nie praktizieren mussten. Ich möchte mich daher vorab bei allen Ärztinnen und Ärzten, bei allen Pflegekräften, bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insbesondere auf den intensivmedizinischen Stationen ganz herzlich dafür bedanken, dass dies nie notwendig war. Das ist nur möglich gewesen durch die herausragende Leistung, die dort erbracht worden ist und immer noch erbracht wird; die Pandemie ist ja nicht vorbei. Ohne Ihre Leistung, ohne Ihre Arbeit hätten wir die Triage möglicherweise schon praktizieren müssen. Daher danke von dieser Stelle für das, was Sie getan haben.

Durch Ihren Einsatz haben Sie es uns erspart, solche Entscheidungen treffen zu müssen.

Worum geht es hier? Zunächst einmal geht es im Wesentlichen um das Infektionsschutzgesetz und um übertragbare Krankheiten. Jetzt kann man sagen: Die Pandemie ist doch schon fast vorbei. - Na ja, zum einen ist sie noch nicht vorbei, und zum Zweiten leben wir im Zeitalter der Pandemien. Durch die globale Erwärmung, durch den zunehmenden Verkehr, durch die Bevölkerungszuwächse müssen wir mit mehr Pandemien und Infektionskrankheiten rechnen. Daher müssen wir auf solche Zuteilungsentscheidungen besser vorbereitet sein, als wir es in der Vergangenheit gewesen sind, sodass wir sicherstellen können, dass solche Zuteilungsentscheidungen auch unter Berücksichtigung ethischer Aspekte getroffen werden.

Lassen Sie mich daher vollumfänglich in den Vordergrund stellen, worum es bei diesem Gesetzentwurf geht. Man kann sehr unterschiedlicher Meinung sein, ob beispielsweise die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Menschen bei der Zuteilung von Medizin eine Rolle spielen soll oder nicht, ob man eine Medizin praktiziert, in der solche Kosten-Nutzen-Überlegungen gemacht werden oder nicht. Das kann man ethisch sehr unterschiedlich diskutieren. Da gibt es utilitaristische Positionen; da gibt es Positionen im Sinne von Kant. Aber eines ist immer unethisch, und zwar wenn Menschen mit Behinderungen benachteiligt werden. Niemand darf benachteiligt werden, wenn er medizinische Versorgung auf der Intensivstation benötigt, nur weil er ein Mensch mit Behinderungen ist. Das ist unethisch. Wir wollen mit diesem Gesetz sicherstellen, dass dies nicht mehr vorkommen kann.

Dann ist es so, dass bei der Entscheidung, wer versorgt wird, nur medizinische Aspekte eine Rolle spielen dürfen, nämlich die Frage: Wie ist im Moment der Krankheitsverlauf? Vorerkrankungen oder Behinderungen dürfen keine Rolle spielen; das stellen wir hier klar. Somit kann es nie so sein, dass jemand, der sich in einer behandlungsbedürftigen Lage befindet, keine Versorgung bekommt, nur weil er behindert ist. Das wird nicht vorkommen; das kann nicht passieren.

Wir werden darüber hinaus auch Folgendes sicherstellen: Derjenige, der jetzt schon versorgt wird, kann sich auf die weitere Versorgung verlassen. Das heißt, wir werden keine sogenannte Ex-Post-Triage zulassen. Wir wollen das System so praktizieren, dass sich derjenige, bei dem die Versorgung schon begonnen hat, darauf verlassen können muss, dass diese Versorgung lege artis zu Ende geführt wird, sodass wir nicht in die unerträgliche Situation kommen, die Versorgung zu beenden, um sie einem anderen Menschen zukommen zu lassen. Diese Form der Ex-Post-Triage halte ich für unethisch; daher ist sie hier nicht vorgesehen. Sie ist ausgeschlossen durch das Gesetz, dessen Entwurf wir heute vorlegen.

Lassen Sie mich schließen, indem ich darauf hinweise: Das Beste, was man der Ex-Post- oder Ex-Ante-Triage entgegensetzen kann, ist eine gute Vorbeugung. Eine gute Vorbeugung läuft darauf hinaus, dass wir die Kapazitäten ausbauen und besser planen müssen. Wir haben große Krankenhausgesetze vor uns, die auch dafür sorgen werden, dass die Pflegekräfte nicht in ständiger Überlastung arbeiten müssen, dass wir sicherstellen können, dass wir genug Platzkapazitäten haben. Wir werden daher das Gesetz evaluieren. Gleichzeitig werden wir aber auch mehr unternehmen, um die Krankenhäuser von solchen Leistungen zu befreien, die eigentlich ambulant gemacht werden könnten, sodass wir für die intensivmedizinischen Versorgungsfälle die notwendige Kapazität haben und das nicht mehr zulasten der Pflegekräfte und der Ärzte geht.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetz und danke für die Aufmerksamkeit.

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