Antworten auf die Fragen der Rheinischen Post
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zur Verbesserung der ambulanten Versorgung, Entlastungen für Arbeitnehmer bei den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und Entlastungen für Pflegekräfte.
Rheinische Post: Was machen Sie persönlich, um sich gesund und fit zu halten?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: Ich mache regelmäßig Kraft- und Ausdauersport. Und ich versuche, mich gesund zu ernähren. Aber leider schmecken mir die Spaghetti am besten, wenn ich abends nach Hause komme.
Sie haben gesagt, die Leute sollen nur dann zum Arzt gehen, wenn es wirklich nötig ist. Wo liegt Ihre Hemmschwelle?
Spahn: Das ist jetzt aus dem Zusammenhang gerissen...
Dann klären Sie es auf.
Ich will, dass die Patienten schneller einen Arzttermin bekommen. Viele Arzt-Patienten-Kontakte sind einfache Rücksprachen. Diese Rücksprachen könnten über eine digitale Online-Sprechstunde erledigt werden. Dadurch wären die Wartezimmer nicht mehr so voll und die Ärzte hätten mehr Zeit für schwere Fälle. Das nützt am Ende vor allem den Patienten. Die Bereitschaft, auch mit Bagatellen in eine Notfallambulanz zu gehen, ist enorm gestiegen. Unsere hochwertige Rund-um-die-Uhr-Versorgung sollte möglichst nur in Anspruch genommen werden, wenn es auch wirklich nötig ist. Sonst leiden die, die wirklich schnell Hilfe brauchen.
Und Sie? Gehen Sie nur schwerkrank zum Arzt?
Nein, ich gehe früher. Wer krank ist, soll natürlich auch zum Arzt gehen. Wenn es um Vorsorge geht, wünsche ich mir sogar ausdrücklich mehr Arztbesuche. Besonders von Männern.
Die Zahl der Pflegekräfte soll steigen und diese sollen auch besser bezahlt werden. Wird das dazu führen, dass auch die Beiträge für die Pflegeversicherung und die Krankenkassen steigen müssen?
Aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage haben wir Spielraum für Verbesserungen. Das zeigt einmal mehr: Eine gute Wirtschaftspolitik für mehr Wachstum ist die entscheidende Voraussetzung für leistungsstarke Sozialsysteme, die den Menschen wirklich helfen.
Können Sie garantieren, dass es in dieser Wahlperiode keine Beitragssteigerungen bei Gesundheit und Pflege geben wird?
Die sozialen Sicherungssysteme sind aktuell in einer guten finanziellen Lage. Wir tun alles, dass das so bleibt. Unser erster Schritt ist ein Beschäftigten-Entlastungsgesetz.
Konkret?
Ab dem 1. Januar 2019 werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Beitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung wieder je zur Hälfte finanzieren. Auch den Zusatzbeitrag, der von Kasse zu Kasse unterschiedlich ist. Für die Arbeitnehmer und Rentner gibt es so im Schnitt eine Entlastung von 0,5 Prozentpunkten. Zudem sieht der Koalitionsvertrag vor, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte zu senken. Das sollten wir auch möglichst schnell angehen. Das zusammen entspricht einer Beitragsentlastung für die Beschäftigten von über sieben Milliarden Euro pro Jahr.
Wird sich der höhere Arbeitgeberanteil negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken?
Ohne Frage ist das eine Belastung für die Arbeitgeber. Arbeit wird so teurer. Umso mehr müssen wir in der Koalition die Sozialbeiträge insgesamt bei unter 40 Prozent halten.
Wann werden die Pflegebedürftigen in Heimen und Kliniken spüren, dass es Verbesserungen beim Personal gegeben hat?
Die Pflegekräfte leisten 365 Tage im Jahr Großartiges. Gestern habe ich Pflegekräften und Ärzten im Auguste-Victoria -Krankenhaus in Berlin für ihren Dienst am Karfreitag gedankt. Wir brauchen für die Pflegekräfte dringend Entlastung. Daher werde ich das Gesetz für 8000 zusätzliche Pflegestellen bald in das Kabinett einbringen. Die größte Herausforderung wird es werden, diese Arbeitskräfte dann auch tatsächlich zu finden. Wir haben schon heute 17.000 offene Stellen. Wir werden intensiv dafür werben, dass ausgebildete Pflegekräfte, die aus diesem Beruf ausgeschieden sind, zurückkommen. Zudem müssen wir die Ausbildungskapazitäten weiter hochfahren und den Beruf attraktiver machen, etwa durch flächendeckende Tarifbezahlung.
Warum holen Sie nicht mehr Fachkräfte aus dem Ausland?
Auch das werden wir ergänzend tun. Pflegekräfte aus unseren Nachbarländern einzuladen, ist die nächstliegene Option. Innerhalb der EU gibt es die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Bei der Anerkennung von Abschlüssen für Pflegekräfte und Ärzte müssen wir allerdings noch schneller werden. Manchmal sind Ärzte und Pflegekräfte über Monate, teils sogar über Jahre im Land und können nicht loslegen, weil das Verfahren zur Anerkennung sich so zieht. Selbstverständlich muss die ausländische Qualifikation gleichwertig mit der deutschen sein, das gehört gründlich geprüft. Wir sollten aber mit den Bundesländern die Überprüfungen deutlich beschleunigen.
Sie wollen die Sprechstundenzeiten der Ärzte von derzeit 20 auf mindestens 25 erhöhen. Wird das die Wartezimmer leeren?
Viele Ärztinnen und Ärzte bieten schon mehr als 20 Stunden Sprechzeit pro Woche an. Eine generelle Erhöhung auf mindestens 25 Stunden wird den Patienten spürbar zugutekommen. Zudem will ich erreichen, dass es eine Mindestzahl an offenen Sprechstunden pro Woche gibt. Manche Praxis nimmt Patienten nur nach vorheriger Terminabsprache an. Es muss wöchentlich zumindest einen Vormittag geben, an dem es möglich ist, sich spontan behandeln zu lassen. Das soll dann aber auch entsprechend vergütet werden.
Wollen Sie das Problem voller Wartezimmer mit mehr Honoraren lösen?
Es muss schon einen Anreiz für die Ärzte geben, auch mehr Patienten anzunehmen. Wer künftig als Haus- oder Facharzt in der Grundversorgung über die Terminservicestellen neue Patienten kurzfristiger annimmt, soll außerhalb der Budgetierung honoriert werden.
2012 haben Sie über die beiden Systeme GKV und PKV gesagt: „Diese Trennung ist nicht mehr zeitgemäß . Sie finden dafür nicht einmal mehr auf einer CDU-Mitgliederversammlung eine Mehrheit.“ Ist das Geschwätz von gestern oder eine Zukunftsvision?
Es ist eben nur historisch begründbar, dass nur Beamte, Selbstständige und Gutverdiener sich privat versichern können. Sehr viele Privatversicherte haben übrigens ein kleines Einkommen, etwa Pensionäre und Solo-Selbstständige. Angesichts ständig steigender Beiträge gibt es daher auch in der privaten Krankenversicherung soziale Verwerfungen. Darüber werde ich mit den Sozialdemokraten reden. Eine Einheitskasse für alle löst das übrigens nicht.
Welche Reform können Sie sich beim §219a - dem Werbeverbot für Abtreibungen - vorstellen?
Ich werde zeitnah Gespräche mit Ärzten und Beratungsstellen führen, um zu überprüfen, ob es in dieser für die betroffenen Frauen sehr schwierigen persönlichen Situation bisher nicht abgedeckte Informationsbedarfe gibt. Das könnten wir lösen, ohne den 219a zu ändern.
Sollte für eine Abstimmung über den 219a die Fraktionsdisziplin aufgehoben werden?
Das Werbeverbot im 219a muss bleiben. Mein Ziel ist es, dass Union und SPD eine gemeinsame Lösung finden.
Ist die elektronische Gesundheitskarte gescheitert und bedarf es eines Neustarts der Digitalisierung des Gesundheitswesens, wie AOK-Chef Litsch sagt?
Im Moment werden die Arztpraxen bundesweit mit der nötigen Technik ausgestattet, damit es endlich losgehen kann. Die neuesten technischen Sicherheitsstandards werden erfüllt, das ist für die Patienten wichtig. Entscheidend ist, dass wir nun schnell zu digitalen Anwendungen kommen, die aus Sicht von Patienten, Ärzten und Pflegekräften die Versorgung spürbar besser machen. Diesem Ziel ordne ich alles unter, da stellen wir notfalls auch bestehende Strukturen in Frage. Denn das geht bisher alles viel zu langsam.
Das Gespräch führte Eva Quadbeck.