Reform der Pflegeversicherung: mehr Leistungen für stationäre und ambulante Pflege
Ab dem zweiten Kind zahlen Eltern künftig weniger für die Pflegeversicherung als heute. Die Leistungen in der Pflege werden dynamisiert und die Pflegekosten in den Heimen gebremst. Zudem wird es pflegenden Angehörigen erleichtert, Unterstützung zu beantragen und zu erhalten. Das hat der Bundestag heute mit dem Pflegeunterstützungs- und –entlastungsgesetz (PUEG) beschlossen.
Die gesetzliche Pflegeversicherung wird in zwei Schritten reformiert: Zum 1. Juli 2023 soll die Finanzgrundlage stabilisiert werden. Das ermöglicht dringende Leistungsverbesserungen bereits zum Januar 2024. Und in einem zweiten Schritt werden sämtliche Leistungsbeträge zum 1. Januar 2025 nochmals spürbar angehoben.
Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz
Wer muss welche Beiträge zahlen? Wie wird durch das Gesetz die Digitalisierung in der Pflege gefördert? Antworten auf diese und weitere Fragen zum Gesetz finden Sie hier.
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Das Gesetz im Einzelnen
Pflege zu Hause stärken, Leistungen verbessern, finanzielle Belastungen begrenzen
- Um die häusliche Pflege zu stärken, wird das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um 5% erhöht.
- Aus diesem Grund werden auch die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 um 5% angehoben.
- Das Pflegeunterstützungsgeld kann von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden und ist nicht mehr beschränkt auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person.
Die Verbesserungen treten zum 1. Januar 2024 in Kraft. - Zum 1. Juli 2025 werden die Leistungsbeträge für Verhinderungspflege und für Kurzzeitpflege in einem neuen Gemeinsamen Jahresbetrag für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zusammengeführt. Damit steht künftig ein Gesamtleistungsbetrag von bis zu 3.539 EUR zur Verfügung, den die Anspruchsberechtigten nach ihrer Wahl flexibel für beide Leistungsarten einsetzen können. Die bisherige sechsmonatige Vorpflegezeit vor erstmaliger Inanspruchnahme der Verhinderungspflege wird abgeschafft, sodass die Leistungen künftig unmittelbar ab Feststellung von mindestens Pflegegrad 2 genutzt werden können.
- Um Familien mit pflegebedürftigen Kindern sofort zu unterstützen, wird der Anspruch auf den Gemeinsamen Jahresbetrag aus Verhinderungs- und Kurzzeitpflege für Pflegebedürftige der Pflegegrade 4 und 5, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bereits zum 1. Januar 2024 eingeführt.
- Der Zugang pflegender Angehöriger zu Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen wird erleichtert, in dem die Möglichkeit zur Mitaufnahme des Pflegebedürftigen in die stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung der Pflegeperson erweitert und weiterentwickelt wird.
- Zum 1. Januar 2024 werden die Zuschläge (nach § 43c SGB XI), die die Pflegekasse an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt, erhöht. Die Sätze werden von 5% auf 15% bei 0 - 12 Monaten Verweildauer, von 25% auf 30% bei 13 - 24 Monaten, von 45% auf 50 % bei 25 - 36 Monaten und von 70% auf 75% bei mehr als 36 Monaten angehoben.
- Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert. Für die langfristige Leistungsdynamisierung und die langfristige Finanzierung der Pflegeversicherung wird die Bundesregierung bis Ende Mai nächsten Jahres Vorschläge erarbeiten.
- Die komplex und intransparent gewordenen Regelungen zum Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in § 18 SGB XI werden neu strukturiert und systematisiert, so dass verfahrens- und leistungsrechtliche Inhalte in voneinander getrennten Vorschriften übersichtlicher und adressatengerechter aufbereitet sind. Die Ermöglichung von telefonischen Begutachtungen in bestimmten Situationen hilft beim Leistungszugang und entlastet Antragsteller und auch Medizinische Dienste.
Bessere Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende
- In der stationären Pflege wird die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch die Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt. Dabei ist die Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu berücksichtigen.
- Leiharbeit/Springerpools: Zusätzliches Personal in Springerpools kann zukünftig regelhaft finanziert werden, um das Stammpersonal zu entlasten und die Notwendigkeit von Leiharbeit wieder zu reduzieren. Zudem werden die Rahmenbedingungen der Pflegeeinrichtungen für eine qualitätsgesicherte Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland verbessert. Um zugleich wirtschaftliche Anreize für Leiharbeitsunternehmen zu verringern und die Gelder der solidarischen Pflegeversicherung vorrangig für Pflegebedürftige und Pflegepersonal einzusetzen, können zukünftig Kosten für Leiharbeit in der Regel nur bis zur Höhe entsprechender Tariflöhne aus der Pflegevergütung finanziert werden.
- Um das Potential der Digitalisierung zur Verbesserung und Stärkung der pflegerischen Versorgung zu nutzen und die Umsetzung in die Praxis zu unterstützen, wird ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege eingerichtet.
- Das Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen mit einem Volumen von insgesamt etwa 300 Mio. Euro wird um weitere Fördertatbestände ausgeweitet und bis zum Ende des Jahrzehnts verlängert.
- Das Förderprogramm für Pflegeeinrichtungen zur Unterstützung von Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für ihre Beschäftigten wird verlängert.
- Die Pflegeversicherung fördert für eine Laufzeit von vier Jahren innovative Unterstützungsmaßnahmen und –strukturen vor Ort und im Quartier, um neue Impulse zur Stärkung der Pflege in den Kommunen zu setzen. Gleichzeitig erhalten die Kommunen ein dauerhaftes Initiativrecht zur Einrichtung von Pflegestützpunkten zur Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen.
Stabilisierung der Finanzen
Zur Absicherung bestehender Leistungsansprüche der sozialen Pflegeversicherung und der im Rahmen dieser Reform vorgesehenen Leistungsanpassungen wird der allgemeine Beitragssatz zum 1. Juli 2023 moderat um 0,35 Prozentpunkte angehoben. Diese Maßnahme ist mit Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Mrd. Euro/Jahr verbunden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, den Beitragssatz künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, sofern auf kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss. Bundestag und Bundesrat sind dabei zu beteiligen.
Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022
Ebenfalls zum 1. Juli 2023 wird der Beitragssatz zur Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 nach der Kinderzahl differenziert. Eltern zahlen dann generell 0,6 Beitragssatzpunkte weniger als Kinderlose. Bei kinderlosen Mitgliedern gilt ein Beitragssatz in Höhe von 4%. Bei Mitgliedern mit einem Kind gilt demgegenüber nur ein Beitragssatz von 3,4%. Ab zwei Kindern wird der Beitrag während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr um 0,25 Beitragssatzpunkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt. Nach der jeweiligen Erziehungsphase entfällt der Abschlag wieder. Nach der Zeit, in der der wirtschaftliche Aufwand der Kindererziehung typischerweise anfällt, ist eine weitere Differenzierung zwischen Mitgliedern mit unterschiedlicher Kinderzahl nicht mehr vorgesehen. Bei Mitgliedern mit mehreren Kindern gilt nach der Erziehungszeit daher wieder der reguläre Beitragssatz in Höhe von 3,4%.
Es gelten somit folgende Beitragssätze:
Mitglieder ohne Kinder |
= 4,00% (Arbeitnehmer-Anteil: 2,3%) |
Mitglieder mit 1 Kind |
= 3,40% (lebenslang) (AN-Anteil: 1,7%) |
Mitglieder mit 2 Kindern |
= 3,15% (Arbeitnehmer-Anteil: 1,45%) |
Mitglieder mit 3 Kindern |
= 2,90% (Arbeitnehmer-Anteil: 1,2%) |
Mitglieder mit 4 Kindern |
= 2,65% (Arbeitnehmer-Anteil 0,95%) |
Mitglieder mit 5 und mehr Kindern |
= 2,40% (Arbeitnehmer-Anteil 0,7%) |
Die genannten Abschläge gelten, solange alle jeweils zu berücksichtigenden Kinder unter 25 Jahre alt sind. In der Kindererziehungsphase werden Eltern mit mehreren Kindern daher spürbar entlastet. Der Arbeitgeberanteil beträgt immer 1,7%.
Um Versicherte und beitragsüberführende Stellen zu entlasten, sieht das Gesetz vor, dass bis zum 31. März 2025 ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt wird. Die Bundesregierung wird bis zum 31. Dezember 2023 über den Stand der Entwicklung dieses Verfahrens berichten. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2023 bis zum 30. Juni 2025 ist ein vereinfachtes Nachweisverfahren vorgesehen. Der Zeitraum für die Rückerstattung überzahlter Beiträge wird bis zum 30. Juni 2025 verlängert; die Rückerstattung ist für den gesamten Zeitraum zu verzinsen