Spahn: "Mit dem Gesetz finanzieren wir 20.000 neue Stellen für Pflegehilfskräfte in der Altenpflege."
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag zur 2./3. Lesung des Entwurfs eines Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetzes
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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Hochwertige pflegerische Versorgung zu sichern, ist die große gesellschaftspolitische Aufgabe der kommenden Jahre. Wir müssen dafür den Pflegeberuf insgesamt stärken. Wir wollen mehr Pflegekräfte gewinnen, indem wir die Rahmenbedingungen verbessern. Es geht natürlich um Bezahlung, um eine angemessene, um eine regelhafte Tarifbezahlung, es geht aber auch um die Arbeitsbedingungen. Es ist ein Beruf, in dem an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden den Pflegebedürftigen, den Patientinnen und Patienten geholfen wird. Das macht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwieriger als in vielen anderen Berufen. Es ist auch ein Beruf, in dem die Menschen Entlastung brauchen, um Zeit zu haben für die Patienten und die Pflegebedürftigen.
In der Pflege zu arbeiten, wird dann attraktiver, wenn es mehr Kolleginnen und Kollegen gibt, die mit anpacken können. Damit, einen entsprechenden Rahmen zu setzen, haben wir schon vor Corona begonnen. Es ist richtig, es ist wichtig, dass in dieser Pandemie, in diesem Stresstest für unser Gesundheitswesen, die Pflege und das, was dort jeden Tag von den Pflegekräften geleistet wird, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Aber gleichzeitig ist eben auch wichtig, zu sehen, dass wir schon weit vor dieser Pandemie, schon weit bevor die Pflege im Fokus der Öffentlichkeit war, begonnen haben, die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Wir haben mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz bereits 13 000 zusätzliche Stellen für Pflegefachkräfte in der Altenpflege geschaffen. Ich weiß, dass einige sagen: Die Stellen sind doch noch gar nicht besetzt. - Das stimmt! Sie sind noch nicht alle besetzt, weil der Arbeitsmarkt so leergefegt ist. Aber ein entscheidender Unterschied zum Zustand von vor einigen Jahren - und der gilt übrigens für die Krankenhäuser wie für die Langzeitpflege - ist: Die Stellen sind mittlerweile verlässlich finanziert; das ist ein ganz wichtiger Unterschied. Das gibt Verlässlichkeit, und die haben wir sichergestellt.
Mit diesem Gesetz finanzieren wir jetzt zusätzliche 20 000 Stellen für Pflegeassistenzkräfte in der Altenpflege. Mehr Hände, die mit anpacken, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Zufriedenheit für die Beschäftigten - jede Pflegeeinrichtungen in Deutschland wird davon profitieren.
Mir ist wichtig, eins zu sagen, weil ich schon wieder einige öffentliche Äußerungen dazu höre: Wir regen mit diesem Gesetz übrigens auch an, verpflichtend ein Personalbemessungsverfahren auf Basis von wissenschaftlichen Gutachten zu entwickeln. Das ist nicht wie bisher Personalbemessung in der Pflege mit Fachkraftquoten, die irgendwie über den Daumen gepeilt festgelegt worden sind, sondern sie werden wissenschaftlich hergeleitet von Professor Rothgang und vielen anderen in den letzten Jahren. Sie sind zu dem Befund gekommen: Ja, es braucht mehr Pflegefachkräfte in den nächsten zehn Jahren. Es braucht aber vor allem viel mehr Pflegeassistenzkräfte, weil die Zusammenarbeit im Team am Ende alle, die in der Pflege arbeiten, entlastet. Dort machen wir einen ersten wichtigen Schritt mit 20 000 Pflegeassistenzstellen - voll finanziert, ab dem 1. Januar.
20 000 zusätzliche Stellen, voll finanziert, nicht zulasten der Pflegebedürftigen und ihrer Eigenanteile ist, finde ich, ein Punkt, der es wert ist, erwähnt zu werden. Er ist vor allen Dingen deswegen wichtig: Wenn wir Pflegekräfte, die der Pflege - aus welchen Gründen auch immer - den Rücken gekehrt haben, ermuntern wollen, zurückzukehren, wenn wir Pflegekräfte ermuntern wollen, gegebenenfalls, wenn sie können, auch die Stundenzahl wieder zu erhöhen, aber im Moment das nicht tun, weil sie sagen: „Das ist mir zu stressig“ - auch davon gibt es durchaus viele, die uns täglich begegnen -, oder wenn wir Menschen ermuntern wollen, in der Pflege zu bleiben, dann ist es wichtig, dass das berechtigte Gefühl da sein kann, dass die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, nicht Entscheidungen sind, die mal getroffen werden, für ein Jahr gültig sind und in zwei Jahren wieder infrage gestellt werden. Es ist wichtig, dass es begründetes Vertrauen in die Verlässlichkeit unserer Entscheidungen gibt. Genau das machen wir mit diesem Gesetz und den Regelungen der letzten Jahre.
Es ist wahnsinnig viel Vertrauen in der Pflege verloren gegangen, über viele Jahre, in einer Spirale, die sich immer weitergedreht hat. Dieses Vertrauen zurückzugewinnen, die Spirale umzukehren, das braucht Zeit, das braucht beständiges Dranbleiben. Wir haben das Gefühl: Wir halten sozusagen mit Wasser aus allen Rohren auf das Problem. Und die, die in der Pflege arbeiten, haben das Gefühl: „Das sind Tropfen auf den heißen Stein“, weil es eben erst Zug um Zug wirksam wird. Deswegen ist für die Schaffung von Verlässlichkeit und Vertrauen dieses Gesetz so wichtig, für das ich Sie heute um Zustimmung bitte.
Ein zweiter wichtiger Bereich in diesem Gesetz ist die Stabilisierung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung in dieser schwierigen wirtschaftlichen Zeit. Wir haben jetzt fast zehn Jahre wirtschaftliches Wachstum, Wachstum bei Arbeitsplätzen, eine gute Lohn- und Rentenentwicklung hinter uns und sehen jetzt in dieser wirtschaftlich schweren Zeit, wie schnell sich, wenn die Wirtschaft nicht mehr gut läuft, das dann in den sozialen Sicherungssystemen durch weniger Einnahmen und zusätzliche Ausgaben bemerkbar macht, insbesondere natürlich in dieser Pandemie.
Da heißt es dann, dass wir die Lasten auf mehrere Schultern verteilen müssen. Das eine ist ein ergänzender Bundeszuschuss für 2021 - ich bin gleich dazu auch im Haushaltsausschuss, der heute seine Bereinigungssitzung hat - von 5 Milliarden Euro für das nächste Jahr, damit ein Bundeszuschuss von fast 20 Milliarden Euro im nächsten Jahr, und das andere sind die 8 Milliarden Euro von den 20 Milliarden Euro Rücklagen der gesetzlichen Krankenkassen, die wir dazunehmen.
Ja, diese Reserven sind von den Kassen für schlechtere Zeiten gebildet worden; aber es sind jetzt schlechtere Zeiten. Ja, es ist Geld der Beitragszahler; aber das Geld wird eben auch eingesetzt, um die Beitragszahler zu entlasten und vor allem nicht zusätzlich zu belasten in dieser wirtschaftlichen Krise. Und ja, manche sagen, das sei Sozialisierung. Nein, das ist solidarisch! Es ist das System der gesetzlichen Krankenversicherung, dass man füreinander einsteht, und das gilt am Ende in schwieriger Zeit dann auch für die Rücklagen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist dieses Gesetz ein wichtiger und notwendiger Schritt, um Pflegekräfte entlasten, halten und gewinnen zu können und den Pflegeberuf attraktiver zu machen, noch attraktiver in schwerer Zeit. Und es ist ein wichtiges Gesetz für die Stabilität der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung in dieser Pandemie und in dieser Wirtschaftskrise. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung.