Lauterbach: Das Medizinforschungsgesetz wird langfristig eine große Bedeutung für Deutschland haben

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach spricht im Bundestag zum Entwurf der Bundesregierung für ein Medizinforschungsgesetz.

06. Juni 2024

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Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Das Medizinforschungsgesetz ist ein sehr wichtiges Gesetz, welches langfristig eine große Bedeutung haben wird.

Es verfolgt im Wesentlichen drei Ziele:

Zum einen: Wir wollen Deutschland als Forschungsstandort für Arzneimittelforschung, Medizinprodukteforschung, Forschung im Bereich der Digitalisierung in der Medizin und künstliche Intelligenz in der Medizin als Forschungsstandort stark ausbauen und nach vorne bringen.

Zum Zweiten: Wir leisten das ganz klare Bekenntnis, dass Deutschland als Produktionsstandort für Medizinprodukte und für pharmazeutische Produkte gestärkt werden soll.

Und zum Dritten: Wir wollen auch die Versorgung verbessern. Die Versorgung wird verbessert, wenn in Deutschland mehr geforscht wird. Wenn Sie zum Beispiel in Deutschland jetzt an Krebs erkranken, ist die Wahrscheinlichkeit, an einer klinischen Studie teilnehmen zu können, nur ein Zehntel so hoch, als wenn Sie mit dieser Erkrankung in Dänemark behandelt werden. Das ist ein Riesennachteil, weil viele innovative Medikamente zunächst nur innerhalb von Studien zugänglich sind. Es kann nicht weiter hingenommen werden, dass in Deutschland quasi eine ganze Generation von Patientinnen und Patienten von innovativen Arzneimitteln in der Studienphase abgeschnitten ist, nur weil wir in den letzten zehn Jahren in der Arzneimittelforschung so stark zurückgefallen sind.

Wir wollen hier eine Aufholjagd hinlegen. Wir haben dieses Gesetz daher mit allen Beteiligten intensiv besprochen. Wir sind da ideologiefrei herangegangen. Wir bekennen uns dazu: Deutschland soll ein Standort werden für Pharmaforschung, für Pharmaproduktion, aber auch für eine bessere Behandlung für unsere Patienten mit diesen Erkrankungen.

Konkret: Wir haben in der Vergangenheit zum Beispiel sehr häufig einen Konkurrenzkampf zwischen den Zuständigkeiten von Paul-Ehrlich-Institut und BfArM gehabt. Das ist nicht diesen Einrichtungen zuzuschreiben, sondern der Tatsache, dass es keine gesetzlich klar geregelte Zuständigkeit gab. Das haben wir hiermit beseitigt.

Wir haben ein strategisches Manöver hingelegt, sodass es jetzt möglich ist, die komplette Studie an einem Schreibtisch beim BfArM zu beantragen. Das heißt, wenn die Studie dort beantragt ist, dann wird von dort der Antrag weitergeleitet an das Paul-Ehrlich-Institut, aber auch an die zuständigen Landesbehörden.

Wir haben darüber hinaus ein Verfahren aufgebaut, bei dem die vier Prüfungsarten nebeneinander laufen. Die Prüfung der medizinischen Sinnhaftigkeit, die Ethikprüfung, die Strahlenschutzprüfung und die datenschutzrechtliche Prüfung, diese vier Prüfungen können parallel stattfinden und von einem Schreibtisch aus veranlasst werden. Damit können wir die Bearbeitungszeit, wenn die Anträge vollständig sind, auf eine Dauer von insgesamt 26 Tagen Prüfung und 5 Tagen Bewertung reduzieren. Damit haben wir in 31 Tagen die Komplettprüfung einer Studie. Diese Prüfungen haben bisher zum Teil mehr als doppelt so lange gedauert. Sie dauerten zum Teil so lange, dass die Studie hier noch nicht geprüft war, als im Ausland schon die Studienteilnehmer komplett rekrutiert waren. Das wollen wir nicht länger hinnehmen. Wir wollen hier an die Spitze; das ist der Benchmark. 26 plus 5 ist der europäische Benchmark; den wollen wir mit diesem Gesetz erreichen.

Wir werden darüber hinaus etwas machen, was sich die Industrie schon lange gewünscht hat, und zwar werden wir einen Datenzugang schaffen mit dem Forschungsdatenzentrum beim BfArM, sodass auch Arzneimittelfirmen pseudonymisierte Daten nutzen können, um ihre Studienteilnehmer schneller zu rekrutieren. Das heißt, es wird möglich sein, dass Patienten und Studiendurchführer in einer pseudonymisierten Art und Weise zueinanderfinden. In den Daten des Forschungsdatenzentrums können die Patientinnen und Patienten identifiziert werden, die für eine spezielle Studie am besten geeignet wären. Sie können dann mit der Studienleitung der laufenden Studie Kontakt aufnehmen.

Bisher erfahren die Betroffenen sehr häufig nicht von der Studie, und man findet nicht zueinander. Es soll jetzt die Möglichkeit geboten werden, an einer Studie teilzunehmen, gerade wenn man eine seltene Erkrankung hat und eine entsprechende Studie stattfindet. Damit werden wir gerade bei seltenen Erkrankungen den Patientinnen und Patienten eine deutliche Verbesserung anbieten und mehr beitragen können.

Davon profitieren übrigens insbesondere auch Kinder und Jugendliche, die bei Studien in Deutschland oft zurückgeblieben sind.

Dieses Gesetz wird bereits von vielen Arzneimittelfirmen erwartet. Wir haben zurzeit eine Blüte von Ansiedlungen, wie wir sie in den Jahren zuvor nicht gehabt haben. Unternehmen siedeln sich nämlich oft dort an, wo sie besonders gute regulatorische Bedingungen für die Zulassung finden, wo sie aber auch die Studien gut durchführen können.

Wir haben in den letzten Jahren große Investitionen gehabt. Zum Beispiel investiert Eli Lilly 2,3 Milliarden Euro für den Standort in Alzey. Roche investiert 1,4 Milliarden Euro in Süddeutschland. Daiichi Sankyō, bekannt für hochinnovative Produkte in der Onkologie, investiert mehr als 1 Milliarde Euro. Merck hat angekündigt, dass mehrere Hundert Millionen Euro investiert werden. Wir sind derzeit in Gesprächen mit einem weiteren europäischen Anbieter, der mehr als 1 Milliarde Euro investieren will. Wir haben zahlreiche Investitionen, und diese Investitionen werden zum Teil explizit damit begründet, dass sich die Forschungsbedingungen für die pharmazeutische Industrie in Deutschland derzeit so stark verbessern. Das ist aus meiner Sicht eine wichtige Botschaft.

Ich möchte es ganz klar sagen: Das ist etwas, was wir auch unseren Kindern schulden. Für viele Autoimmunerkrankungen, für Demenz, für viele Krebserkrankungen haben wir derzeit leider noch keine Heilung. Wenn wir eine Heilung für diese Krankheiten haben wollen, wenn wir eine deutlich bessere Lebensqualität erzielen wollen, dann müssen wir Forschung betreiben. Und wenn ein Global Player wie Deutschland die Herausforderung annimmt und die Aufholjagd beginnt, wenn Deutschland sich entscheidet, hier nach vorne zu gehen - wir waren ja zurückgefallen; Medizinforschung ist in Deutschland im pharmazeutischen Bereich kaum mehr gemacht worden -, wenn Deutschland sich entscheidet, Investitionen zu tätigen und diese Forschung in Deutschland zu ermöglichen, dann ist das auch ein Beitrag für eine gesündere Zukunft für unsere Kinder. Wir hinterlassen unseren Kindern durch den Klimawandel schon so viele Herausforderungen. Lassen Sie uns zusammenstehen und mit diesen Forschungsinitiativen die Möglichkeit der Heilung von solchen Erkrankungen wahrscheinlicher machen.

Bitte stimmen Sie daher in den Beratungen, auf die ich mich freue - das zum Schluss -, für dieses Gesetz. Ich danke allen, die mitgemacht haben; ich sehe sie hier im Plenum. Das war wirklich eine gemeinsame Arbeit. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass das Gesetz von der Opposition bisher so gut wie nicht kritisiert worden ist.

Bitte belassen Sie es dabei. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

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