Lauterbach wirbt für Krankenhausreform
Die Krankenhausreform ist im Zeitplan. Bis zum Sommer sollen die Eckpunkte stehen. Das erklärte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach bei der Regierungsbefragung im Bundestag. Zudem sprach er über weitere aktuelle Gesetzesvorhaben wie Pflegereform, Arzneimittelengpässe und Digitalisierung im Gesundheitswesen.
Statement
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst einmal den Worten von Bundesverteidigungsminister Pistorius anschließen. Auch wir verurteilen den menschenrechtswidrigen Angriffskrieg von Putin gegen das Volk der Ukraine auf das Schärfste. Jeden Tag werden Kinder, Zivilisten, alte Menschen, behinderte Menschen, unschuldige Menschen verletzt. Das ist nicht hinzunehmen.
Deutschland unterstützt sehr intensiv. Wir sind tätig, indem wir die Ukraine zum Beispiel mit Prothesen versorgen. Dort gibt es sehr viele Verletzte, die Arme und Beine verlieren. Wir versorgen Schwerstverletzte in unseren Spezialkliniken. Wir sind darüber hinaus in der Ausbildung von Chirurgen und Spezialkräften unterwegs, und wir unterstützen telemedizinisch. Ich möchte daher allen beteiligten Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften, die diese Arbeit leisten, aber auch den Orthopäden und den Spezialisten an dieser Stelle ganz herzlich für diese Leistung danken.
Auch diese zivile Leistung ist eine große Leistung. Ich bin im engen Austausch mit dem ukrainischen Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko. Wir haben zugesagt, dass wir auch beim Aufbau der zivilen Strukturen, der Krankenhausstrukturen intensiv mitarbeiten werden. Das habe ich ihm bei der Weltgesundheitsversammlung mitgeteilt, und das werden wir einhalten.
Wir sind nicht nur im Bereich der Verteidigung, sondern auch in anderen Bereichen in der Situation, dass vieles liegen geblieben ist. Der Begriff der Zeitenwende ist hier schon häufig verwendet worden. Er ist auch hier angemessen. Ich bringe ein paar Beispiele.
Seit Jahren haben wir zu wenige Pflegekräfte. Viele ausländische Pflegekräfte können wir für die deutsche Pflege nicht anwerben, obwohl sie eigentlich gut ausgebildet sind. Die Anerkennungsverfahren sind nicht angemessen. Wir prüfen theoretische Inhalte und nicht die praktischen Fähigkeiten. Heute haben wir im Kabinett ein Gesetz verabschiedet, in dem vorgesehen ist, dass wir diese Kenntnisse, die ja da sind, praktisch prüfen, sodass viel mehr dieser Menschen hier arbeiten können.
Wir brauchen mehr studierte Pflegekräfte. International werden 10 Prozent angestrebt. 1 Prozent erreichen wir nur. Wir werden dieses Verfahren vereinfachen und die Studierenden hier auch unterstützen, und wir werden die Pflege digitalisieren. Das sind Gesetze, die lange liegen geblieben sind. Wir werden das machen.
Wir werden in dieser Woche das Pflegeunterstützungs- und ‑entlastungsgesetz verabschieden. Wir haben dort sehr intensiv verhandelt und haben einen guten Kompromiss gefunden. Das wird noch einmal die Pflegekräfte zu Hause, die Angehörigen, stärken. Ein Entlastungsbudget ist beschlossen worden, sodass diese Menschen nicht überfordert werden in der Pflege, die sie leisten. Wir werden diejenigen, die in stationärer Pflege sind, durch eine erhöhte Bezuschussung entlasten. Auch das ist eine Maßnahme, die liegen geblieben war und die wir nun in zweiter und dritter Lesung am Freitag beschließen werden.
Auch im Bereich der Arzneimittelversorgung gibt es seit Jahren bekannte Lieferengpässe und Defizite. Über 450 Arzneimittel sind nicht lieferbar. Wir sind ein sehr reiches Land. Zum Teil sind die Medikamente für unsere Kinder nicht lieferbar. Die Kinder haben in der Pandemie sehr viel gelitten, haben viel mitgemacht. Wir haben jetzt keine Medikamente. Das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand für unser reiches Land. Daher werden wir heute zur ersten Lesung das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungsgesetz einbringen. Das ist ein wichtiges Gesetz, das dafür sorgen soll, dass wir durch Lagerhaltung, dass wir durch Verzicht auf Festbeträge, dass wir durch Verzicht auf Rabattverträge diese Arzneimittel zur Verfügung stellen.
Es kann nicht angehen, dass die Arzneimittel in unseren Nachbarländern noch verfügbar sind und in Deutschland nicht. Das werden wir abstellen. Dieses Gesetz wäre schon länger nötig gewesen. Auch hier sind wir aktiv. Heute wird die erste Lesung sein.
Wir haben auch im Bereich der Krankenhausversorgung ganz große Defizite. Wir haben eine Situation, wo tatsächlich viele Pflegekräfte und auch Ärztinnen und Ärzte das Krankenhaus verlassen, dort nicht mehr arbeiten wollen. Dort wird fließbandähnlich gearbeitet. Es wird alles über Fallpauschalen bezahlt, in einer Art und Weise, wie das kein anderes europäisches Land macht. Hier müssen wir zu einer Entökonomisierung kommen. Es muss wieder die Medizin stärker im Vordergrund stehen. Wir müssen zu einer Entbürokratisierung kommen. 30 Prozent der Arbeitszeit junger Ärztinnen und Ärzte gehen für bürokratische Aufwände verloren.
Wir brauchen eine bessere Qualität. Die wird erreicht, indem die schwierigen Eingriffe zentralisiert werden. Die Deutsche Krebsgesellschaft schätzt, dass durch die Zentralisierung der Eingriffe - das, was wir jetzt mit unserer Krankenhausgesetzgebung verfolgen - 10 000 Krebstote pro Jahr vermieden werden können. Das ist ein sehr wichtiges Gesetz. Daran haben wir gestern mit den Bundesländern gearbeitet. Es waren sehr wichtige, sehr gute Verhandlungen. Ich hoffe, dass wir noch vor der Sommerpause mit Eckpunkten dieses Gesetzes, das seit zehn Jahren überfällig ist, aufwarten und über die Sommerpause den Referentenentwurf beschließen können. Ich darf mich bei den Koalitionären ganz herzlich bedanken. Der Bund hat gestern eine gute Formation gezeigt. Wir haben sehr gut zusammengestanden und sind mit den Ländern auf dem richtigen Weg. Die nächste Sitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird schon am 1. Juni stattfinden. Wie gesagt: Wir erwarten Eckpunkte noch vor der Sommerpause.
Lassen Sie mich zum Schluss nochmals darauf hinweisen - der Bundesverteidigungsminister hat es gesagt -: Vieles ist liegen geblieben. - Er hat ja so recht! Das gilt insbesondere für die Digitalisierung im Gesundheitssystem. Wir sind abgeschlagen. Wir sind nicht unter den besten 10. Wir sind nicht unter den besten 15. Wir haben Glück, wenn wir zu den besten 20 zählen. Hier ist vieles liegen geblieben.
Wir arbeiten daher an wichtigen Gesetzesinitiativen. Wir werden ein Digitalgesetz vorlegen, mit dem die elektronische Patientenakte bis Ende 2024 als Opt-out-Lösung zur Verfügung steht.
Wir rechnen damit, dass 80 Prozent der Versicherten im Jahr 2025 diese Opt-out-Lösung haben. Wir werden die digitalen Daten so zusammenführen, dass sie auch für die Forschung, etwa die Krebsforschung, zur Verfügung stehen.
Sie sehen: Wir haben viel vor. Wir werden das gemeinsam meistern. Ich danke Ihnen für das Vertrauen und für die Zusammenarbeit.
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Fragen und Antworten zu den Themen:
Übersterblichkeit
Martin Sichert (AfD):
Meine Frage geht an den Bundesgesundheitsminister Lauterbach. - Die Bundesregierung hat den Menschen jahrelang erzählt, dass jedes Menschenleben so unendlich wertvoll ist, dass man dafür die Grundrechte beliebig einschränken kann.
Nun haben wir seit Mai letzten Jahres eine konstante Übersterblichkeit, und das Statistische Bundesamt erklärt, dass diese nicht mit Corona erklärbar sei und dass man nicht so genau wisse, woher das kommt. Seit einem Jahr hören wir nur Vermutungen über diese Übersterblichkeit und keine Fakten. Es gab ja immerhin Zehntausende Tote mehr im letzten Jahr.
Und nachdem die Regierung erklärt hat, dass jedes Menschenleben so unendlich wertvoll und schützenswert ist, würde ich eigentlich erwarten, dass die Bundesregierung dem nachgeht und alles daransetzt - zum Beispiel durch angeordnete Obduktionen, beschleunigte Auswertung der Todesursachen usw. -, dahinterzukommen, woran diese Übersterblichkeit liegt. Was unternimmt die Bundesregierung denn konkret, um abseits der üblichen Prozesse dieser Übersterblichkeit auf den Grund zu gehen?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die Übersterblichkeit wird natürlich von den deutschen Fakultäten wissenschaftlich untersucht; sie wird durch die Wissenschaftler untersucht, die sich mit dieser Frage international seit langer Zeit beschäftigen. Die deutsche Übersterblichkeit wird ja auch von internationalen Arbeitsgruppen untersucht.
Falls Sie hier darauf hinweisen wollen, dass es möglicherweise so sei, dass die Übersterblichkeit durch die verabreichten Impfungen entstanden ist: Dafür haben wir keinerlei Hinweise; das ist medizinisch nicht plausibel. Das ist eine gefährliche Räuberpistole. Ich würde Sie daher bitten, nicht in diese Richtung auch nur zu gestikulieren.
Man muss offen sagen: Eine gewisse Übersterblichkeit ist in einer solchen Pandemie zu erwarten, weil nicht alle Krankheiten gleichzeitig behandelt werden können. Es haben mehr Menschen ihre Krebsvorsorge nicht wahrgenommen. Es haben mehr Menschen ihre Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht so intensiv behandeln lassen können, wie das sonst möglich gewesen wäre. Das sind Nebenwirkungen einer solchen Pandemie; das wird genau untersucht.
Diese Untersuchungsergebnisse werden von uns ausgewertet und Ihnen zu gegebener Zeit auch vorgestellt.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas:
Herr Sichert, Sie können eine Nachfrage stellen.
Martin Sichert (AfD):
Ja, das möchte ich auch gerne. - Das heißt, wenn ich Sie jetzt gerade richtig verstanden habe: Die Bundesregierung macht keine eigenen besonderen Untersuchungen. Obwohl wir tatsächlich Zehntausende Tote mehr seit einem Jahr haben, eine konstante Übersterblichkeit über die ganzen Monate hinweg, gibt es keine konkreten Untersuchungen der Bundesregierung, um dieser Übersterblichkeit jetzt wirklich auf den Grund zu gehen und herauszufinden: Woran liegt das? Warum sterben jetzt deutlich mehr Menschen? Ich meine, das waren allein im letzten Jahr circa 58 000 Menschen mehr, die in Deutschland gestorben sind, als zu erwarten gewesen wäre. Das ist keine Lappalie; das sind viele Zehntausend Tote. Ich höre von Ihnen nur: Wir warten auf Statistiken und Auswertungen.
Was unternimmt die Bundesregierung konkret, um diesen Zahlen auf den Grund zu gehen?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wie ich bereits ausgeführt habe: Die deutschen Wissenschaftler und die Universitäten arbeiten an diesen Fragen. Wir sind auch im engen Austausch mit dem Corona-Expertenrat der Bundesregierung. Ich muss darauf hinweisen: Es darf nicht der Eindruck entstehen, als wenn es hier nur eine Übersterblichkeit gebe, sondern wir wissen natürlich auch, dass im Rahmen der Coronabekämpfung das Leben von Hunderttausenden Menschen gerettet werden konnte, die gestorben wären, wenn wir nicht diese Maßnahmen ergriffen hätten.
Sie dürfen das jetzt nicht so darstellen, als wenn die Nebenwirkungen der Impfungen hier im Vordergrund stehen. Das ist ja das, worauf Sie hinauswollen. Wir dürfen uns hier nicht dümmer stellen, als wir sind.
Nennen wir die Dinge doch beim Namen: Sie wollen doch durch eine solche Frage unterstellen, dass es in Wirklichkeit so gewesen sei, dass mehr Menschen überlebt hätten, wenn wir die Coronapandemie nicht so konsequent bekämpft hätten.
Das ist die Unwahrheit; das ist nicht richtig. Das ist durch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gedeckt.
Sobald wir nähere Erkenntnisse zu den detaillierten Gründen der Übersterblichkeit haben, kann ich das sagen. Das, was man weiß, habe ich schon vorgetragen: Es sind Krebsuntersuchungen nicht gemacht worden; die Vorsorgeuntersuchungen sind aufgeschoben worden; die ein oder andere Operation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen konnte nicht stattfinden, weil die Intensivstationen voll waren. Das wissen ja alles, und das dürfte auch Ihnen bekannt sein, wenn Sie sich tatsächlich für dieses Thema interessieren.
Arzneimittelengpässe
Kathrin Vogler (DIE LINKE):
Vielen Dank. - Meine Frage richtet sich an Minister Lauterbach. Herr Professor Lauterbach, Sie haben uns ja gerade noch mal über die Arzneimittelengpässe und darüber, was die Regierung dagegen zu unternehmen gedenkt, aufgeklärt. Nun ist es so, dass mir die Rabattverträge der gesetzlichen Krankenversicherungen ein absolut ungeeignetes Instrument zu sein scheinen, um die Produktion in der EU anzukurbeln. Auch wenn Sie selber ja einer der Väter der Rabattverträge sind: Vielleicht können Sie noch mal darüber nachdenken, warum denn ein Hersteller die Produktion aufwendig verlagern sollte, bevor er ein Ausschreibungslos überhaupt gewonnen hat. Und wer soll hier eigentlich warum Produktionsstätten aufbauen für eine Ausschreibungsdauer von meistens nur zwei Jahren, wenn die Hersteller doch nicht wissen, ob sie bei der nächsten Ausschreibung dieses Versorgungslos noch bekommen? Was machen denn Hersteller, die sich auf die teurere Produktion in der EU eingelassen haben und nachher gar nicht an der Versorgung teilnehmen, weil andere Hersteller sich die Lose gesichert haben? Ich glaube, wir müssen noch mal grundsätzlich über die Rabattverträge nachdenken, und nicht nur bei Kinderarzneimitteln und Antibiotika.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, zunächst ist es richtig, dass die Rabattverträge wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Arzneimittel im Generikabereich in Deutschland erschwinglich geblieben sind. Aber mittlerweile sind die Rabattverträge auch dafür mitverantwortlich, dass die Preise so niedrig sind, dass sich die Herstellung in Europa teilweise nicht mehr lohnt. Wenn wir diesem Problem begegnen wollen, dann brauchen wir eine kurzfristige Lösung und eine langfristige Lösung.
Die kurzfristige Lösung liegt darin, dass derjenige, der den Rabattvertrag bekommt, garantieren muss, dass die Lagerhaltung so ist, dass wir tatsächlich einen Lieferengpass überbrücken könnten. Das ist in dem Gesetz, das wir heute debattieren werden, vorgesehen; dort sind drei Monate Lagerhaltung vorgesehen. Wir haben darüber hinaus ein Frühwarnsystem, sodass wir dann einen kommenden Engpass sehen können. Und wenn es darüber hinaus noch Engpässe gibt, dann können die bestehenden Rabattverträge auch angepasst werden, sodass die Regel flexibel ist, selbst wenn ein Engpass kommt.
Die Verlagerung der Produktion zurück nach Europa ist ein wichtiges Ziel. Das beginnen wir im Bereich der Antibiotikaherstellung. Hier ist es im Prinzip für einen Hersteller sehr leicht abzuschätzen, ob er einen Vertrag bekommt oder nicht. Denn wenn er hier in Europa ein Los anbietet und es belegen kann, dann ist ihm der Vertrag, wenn er der Erste ist, der das Antibiotikum hier anbietet, zum jetzigen Zeitpunkt mehr oder weniger sicher. Wir werden dies auch auf andere Bereiche ausdehnen. Wir können das per Rechtsverordnung zum Beispiel für Krebsmedikamente machen. Es ist hier aber ein mehrstufiges Verfahren notwendig. Und unser Ziel ist es, einen größeren Teil der Produktion nach Deutschland zurückzubringen.
Eine Mechanik ist ja auch die, dass derjenige, der sich hier um ein Los bewirbt, einen Teil außerhalb von Europa produzieren kann und einen anderen Teil in Europa. Somit sind die Risiken verteilt. Das ist die Vorgehensweise, die uns auch von beratenden Wissenschaftlern seit längerer Zeit vorgeschlagen wurde.
Kathrin Vogler (DIE LINKE):
Die größte Last bei Lieferengpässen, die auch zu Versorgungsengpässen werden, tragen natürlich die Patientinnen und Patienten. Aber die zweitgrößte belastete Gruppe sind die Apothekerinnen und Apotheker in diesem Land, die einen unwahrscheinlichen Aufwand betreiben müssen, um bei Lieferengpässen die Patientinnen und Patienten in der GKV mit Alternativmedikamenten zu versorgen.
Nun haben Sie ja offensichtlich erkannt, dass das ein Problem ist, wollen aber diesen Aufwand bei den Apothekerinnen und Apothekern mit nicht mehr als 50 Cent vergüten - 50 Cent! Und das, obwohl Apothekerinnen und Apotheker berichten, dass sie teilweise 20 Stunden in der Woche nur dafür verwenden, Lieferengpässe zu managen. Besonders absurd finde ich vor dem Hintergrund, dass der Großhandel, der nur den Aufwand hat, im Warenliefersystem einen anderen Knopf zu drücken, die gleichen 50 Cent kriegen soll. Wie erklären Sie das denn eigentlich? Könnte man nicht die 50 Cent, die Sie dem Großhandel zugestehen, besser den Apothekerinnen und Apothekern zugutekommen lassen?
Bundgesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Selbstverständlich werden wir über die präzisen Summen, die hier zur Verfügung gestellt werden, noch beraten. Wir beraten den Gesetzentwurf zwar heute in erster Lesung. Aber ich bitte Sie, Folgendes zu beachten: Die Vergütung gilt jeweils pro Abgabe. Das heißt, wenn ich zum Beispiel 100 Medikamente abgebe, und es ist immer das gleiche Medikament, dann kommen ja schon 50 Euro zustande. Somit muss man das in der Summe sehen. Jedenfalls werden wir über die präzisen Summen noch diskutieren. Dafür gibt es Anhörungen; dafür wird es zum Schluss auch das parlamentarische Verfahren geben.
Lassen Sie mich aber Folgendes in den Vordergrund stellen: Wir haben dieses Problem seit zehn Jahren. Jetzt gehen wir als Ampelregierung im Sinne einer Fortschrittsbeschleunigung dieses Problem an. Wir kommen sehr schnell mit einem durchdachten Gesetzentwurf, und wir setzen unser Vertrauen auf die Abgeordneten, hier im Detail noch die eine oder andere Verbesserung zu ermöglichen.
Krankenhausreform
Stephan Pilsinger (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Minister, die hohen Energiepreise machen den Kliniken weiter zu schaffen. Erste Kliniken schließen. Sie haben mehr als 6 Milliarden Euro an Hilfen versprochen. Davon kommt aber nur ein Bruchteil bei den Krankenhäusern an, weil die Voraussetzungen viel zu hoch sind. Die pauschale Auszahlung von 2,5 Milliarden Euro an Unterstützungsleistungen kommt nicht voran. Sie haben hier vor dem Parlament versprochen, dass keine Klinik wegen der Energiepreise schließen muss. Dieses Versprechen wird gebrochen. Wieso lassen Sie den massiven ökonomischen Druck durch Preissteigerungen auf die Kliniken weiterhin zu?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zunächst einmal muss ich darauf hinweisen, dass das Kabinett weitere Hilfszahlungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro als direkte Energiehilfen zur Verfügung gestellt hat. Das haben wir gemacht, ohne dass das von Ihnen überhaupt gefordert worden wäre. Wenn jetzt die entsprechenden Beschlüsse im Parlament so schnell wie möglich gefasst werden, ist uns das recht. Das Verfahren im Kabinett ist abgeschlossen. Ich gehe von einer schnellen positiven Befassung hier im Hohen Haus aus. Dann bekommen die Krankenhäuser genau die Energiehilfe, die sie benötigen. Das ist von der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu Recht begrüßt worden. Wir haben da Wort gehalten.
Wie gesagt: Der Kabinettsbeschluss ist lange gefasst. Das, was wir tun können, ist lange erledigt. Jetzt ist es also am Deutschen Bundestag, hier so schnell wie möglich zum Abschluss zu kommen.
Stephan Pilsinger (CDU/CSU):
Herr Minister Lauterbach, Sie haben meine Frage noch nicht ganz beantwortet. Sie als Regierung haben es in der Hand, wann Sie das Gesetz hier einbringen. Meine Frage ist: Bis wann konkret wollen Sie dieses Gesetz hier einbringen, um die Kliniken von den Preissteigerungen im Energiesektor zu entlasten? Woran hakt es?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Die erste Lesung wird jetzt erfolgen, und wir werden dieses Gesetz vor der Sommerpause abschließen.
Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen: Das ist eine Initiative der Bundesregierung. Wir haben diese 2,5 Milliarden Euro zu einem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt, als von Ihrer Seite noch nicht mal ein Antrag vorlag. Ich bin daher überrascht, dass Sie sich beklagen, dass das Gesetz nicht schnell genug kommt. Wenn es davon abgehangen hätte, dass es aus Ihren Reihen kommt, hätte es gar keine solche Initiative gegeben.
Die erste Lesung steht unmittelbar bevor.
Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Minister Lauterbach, auch ich möchte zum Thema Krankenhaus nachfragen. Ich möchte Sie bitten, noch mal zu erläutern - Sie hatten es ja in Ihrem Eingangsstatement bereits angerissen -, warum die geplante Krankenhausreform aus Sicht der Bundesregierung notwendig ist, um die Versorgung zu sichern, gerade angesichts des Fachkräftemangels, den wir heute in den Kliniken haben, und angesichts der schwierigen finanziellen Situation sowie insbesondere im Hinblick auf die Versorgung im ländlichen Raum.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zunächst einmal: Die Krankenhäuser können nicht durch kurzfristige Soforthilfen wie die jetzt beschlossene Energiehilfe langfristig über Wasser gehalten werden. Wir haben ein strukturelles Problem, das wie folgt zu beschreiben ist: Kleinere Krankenhäuser füllen sich zum Teil nicht mehr, weil demografische Veränderungen stattfinden. Zum Teil sind auch nicht mehr so viele Menschen gewillt, in kleineren Krankenhäusern größere Eingriffe machen zu lassen; das ist auch medizinisch oft nicht sinnvoll. Wir haben darüber hinaus Personalnot in diesen Krankenhäusern. Somit verlieren diese Krankenhäuser Einnahmemöglichkeiten und können sich langfristig nicht halten. Sie werden aber in der Fläche für die Versorgung gebraucht.
Wenn wir daher das System der Bezahlung nicht verändern, dann werden wir sehr viele Krankenhäuser verlieren, gerade im ländlichen Bereich, und können dort die Sicherstellung der Basisversorgung nicht mehr garantieren. Das sind zum Teil Krankenhäuser, die für die Eingriffe, die sie machen, sehr gut sind und unbedingt benötigt werden. Daher wollen wir die Finanzierung so umstellen, dass 60 Prozent der Vergütung über eine Vorhaltepauschale - also nur dafür, dass das Krankenhaus die Leistung vorhält - und das Pflegebudget bezahlt werden, sodass keine Abhängigkeit mehr von der Zahl der durchgeführten Leistungen besteht. Das wird dazu führen, dass gebrauchte kleine Krankenhäuser - gerade auf dem Land - die Sicherstellung der Basisversorgung anbieten können. Es wird dort sogar eine Entbürokratisierung geben, und wir können damit die Daseinsfürsorge gewährleisten, was ohne diese Reform nicht möglich wäre.
Ohne die Reform wird es ein kaltes, langanhaltendes Kliniksterben - gerade auf dem Land - geben, sodass wir die Versorgung dort dann nicht mehr darstellen können.
Sepp Müller (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Bundesgesundheitsminister, Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, dass wir als Unionsfraktion und andere in diesem Haus noch nicht auf die Energiekosten eingegangen wären, dass Sie das entsprechende Gesetz jetzt auf den Weg bringen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir als Unionsfraktion bereits im Juni 2022 eine höhere Auszahlung vorgesehen haben in einem Antrag, den die Ampel abgelehnt hat.
Wir als Unionsfraktion - wie übrigens alle anderen Oppositionsfraktionen auch - haben im Prozess gesagt, dass Einzelauszahlungen nicht korrekt sind, dass pauschal ausgezahlt werden muss und die zusätzlichen 2,5 Milliarden Euro endlich bei den Krankenhäusern ankommen müssen.
Meine Nachfrage ist: Kennen Sie die entsprechenden Anträge, und wann kommen die 2,5 Milliarden Euro endlich bei den Krankenhäusern an?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, natürlich sind mir die damaligen Anträge bekannt. Ich bezog mich hier auf eine weitere Auszahlung, die wir vorgenommen haben. Die erste Auszahlung ist ja schon erfolgt; da hatten Sie einen anderen Vorschlag, den wir nicht aufgegriffen haben. Stattdessen haben wir damals den Vorschlag umgesetzt, den ich hier auch vorgetragen habe: Es sind 1,5 Milliarden Euro als direkte Energiehilfe geflossen, und es gab ein Verrechnungssystem, das sich dann als im Einzelfall schwer handhabbar erwiesen hat. Auf der Grundlage haben wir dann - ohne Ihre Aufforderung und ohne Ihre Unterstützung - noch einmal 2,5 Milliarden Euro nachgelegt. Da ist die erste Lesung, soweit ich informiert bin, in der nächsten Sitzungswoche zu erwarten. - Morgen ist die erste Lesung sogar, höre ich gerade, also noch schneller als gedacht.
Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir diese 2,5 Milliarden Euro im Kabinett schon vor Wochen beschlossen haben, und jetzt kommt die Lesung.
Das ist ja ein Gesetz, das an ein Gesetz angehängt ist, bei dem wir nicht federführend sind. Sie wissen ja, dass das ein Gesetz von Robert Habeck ist, in dem es darum geht, Energiehilfen insgesamt zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Im Rahmen dieses Gesetzes sind auch die 2,5 Milliarden Euro vorgesehen; die haben wir da mit untergebracht. Aber wir sind hier nicht federführend.
Ich hörte jedenfalls gerade von der Frau Staatssekretärin, dass die erste Lesung nicht erst in der nächsten Sitzungswoche ist, sondern morgen. Somit haben Sie dann die Gelegenheit, dem Gesetz zuzustimmen.
Dr. Christos Pantazis (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister, weil Sie ja schon in Ihrem Eingangsstatement die Überfälligkeit der Krankenhausreform - Sie erwähnten zehn Jahre Überfälligkeit - angesprochen haben, habe ich die Frage: Wie ist der aktuelle Stand der Beratungen zur Krankenhausreform in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, vielen Dank für die Frage. Wir haben uns erst gestern wieder sehr intensiv mit den Ländern beraten, und wir haben eine sehr gute Beratung gehabt. Wir sind im Prinzip jetzt so weit, dass wir noch vor der Sommerpause damit rechnen können, Eckpunkte vorzulegen. Der Kanon der Beratungen gestern war, dass ein solches Gesetz ohne Alternative ist,
dass wir hier tatsächlich ein Gesetz einbringen werden, durch das die Qualität besser wird, mit dem wir entbürokratisieren und mit dem wir auch den ökonomischen Druck von den Kliniken nehmen. Es waren sehr gute Beratungen. Wir haben daher beschlossen, dass wir die Beratungen mit den Ländern bereits am 1. Juni 2023 fortsetzen und dann auch die Öffentlichkeit mit den Ergebnissen konfrontieren werden. Ich glaube, dass wir noch in der Sommerpause einen Referentenentwurf entwickeln können. Das ist keine Kleinigkeit; denn - denken Sie mal darüber nach - dieses Gesetz ist ja seit mehr als 10 Jahren überfällig. Wir sind hier mit den Ländern auf einem sehr guten Weg. Daher waren die Verhandlungen, die wir gestern gehabt haben, aus meiner Sicht sehr vielversprechend.
Simone Borchardt (CDU/CSU):
Herr Minister, meine Frage zielt auf Folgendes ab: Wir hatten ja gerade schon das Thema Energiekosten bei den Krankenhäusern; ich möchte von daher noch mal an die von uns ja durchaus gestellten Anträge erinnern, die von Ihnen abgelehnt wurden. In diesem Zusammenhang müssen aus meiner Sicht nicht nur die Krankenhäuser berücksichtigt werden, sondern auch die stationären Pflegeeinrichtungen; auch dort haben sich die Energiekosten mittlerweile verdoppelt. Die Refinanzierung ist da in keiner Weise gesichert. Das heißt, wir laufen wirklich Gefahr - und wir erleben das schon jetzt -, dass Pflegeeinrichtungen in die Insolvenz gehen, das heißt, dass Pflegestrukturen zerschlagen werden. Wie gedenken Sie, dieser Entwicklung entgegenzuwirken? - Danke.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, vielen Dank für diese Frage. Die Prämisse Ihrer Frage ist nicht richtig, weil die Energiekosten natürlich in den Verhandlungen mit den Pflegekassen an diese weitergegeben werden können und auch auf die Bewohner der Einrichtungen umgelegt werden müssen.
Wir haben in den Pflegeeinrichtungen derzeit in der Tat mit Engpässen zu kämpfen. Das ist auch der Grund, weshalb das Pflegeunterstützungs- und ‑entlastungsgesetz, welches wir in zweiter und dritter Lesung am Freitag beschließen werden, keine Minute zu früh kommt. Auch hier ist es so wie im Geschäftsbereich von Bundesverteidigungsminister Pistorius, wie eben schon ausgeführt wurde, dass halt sehr viel liegen geblieben ist. Dazu zählt, dass hier in der letzten Legislaturperiode Ausgaben für die Pflege beschlossen worden sind, die nicht refinanziert worden sind. Insbesondere sind die Pflegeeinrichtungen zum Teil auf den Kosten der Coronamaßnahmen sitzen geblieben. Das ist umso weniger verständlich, weil damals noch Geld da war. Damals hatten wir noch nicht die Mehrbelastungen durch den Ukrainekrieg.
Mich wundert es; denn in der Union ist in der Zeit, wo noch Geld da war, in der Pflege viel zu wenig ausgegeben worden.
Jetzt ist das Geld knapp, und wir nehmen 7 Milliarden Euro in die Hand. Das muss auch gewürdigt werden.
Stephan Brandner (AfD):
Ja, genau, eine Nachfrage. - Schön, Herr Lauterbach, Sie mal ohne Maske zu sehen. Ich hätte Sie wahrscheinlich gar nicht mehr erkannt.
Also, es geht um die Krankenhausreform. Die ist ja schon seit vielen Jahren in der Diskussion. Ich habe einige Zitate von Ihnen aus den Jahren 2013 und 2016. Da haben Experten gesagt, zwei Drittel aller Krankenhäuser müssten geschlossen werden. Sie haben gesagt: Nein, zwei Drittel ist ein bisschen viel, und wir schließen auch Krankenhäuser nicht etwa, um Geld zu sparen, sondern - man höre und staune! - um die Qualität zu erhöhen. Jetzt ist Medienberichten aus den letzten Tagen zu entnehmen: Sie machen die Krankenhausreform weiter. Da spukte durch die Gazetten, die Hälfte aller Krankenhäuser müsse schließen. Da haben Sie gesagt: Nein, das wäre viel zu viel. - Deshalb meine Frage: Wie viele Krankenhäuser planen Sie zur Qualitätserhöhung in den nächsten Jahren zu schließen?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wenn Sie mich hier lange nicht mehr ohne Maske gesehen haben, dann kann es nur daran liegen, dass Sie nicht so oft im Plenum sind.
Die Erkenntnisse von damals - also die damalige Bertelsmann-Studie - sind jetzt viele Jahre alt, und das sind keine relevanten Erkenntnisse von heute mehr. Die gesamte Situation in der Krankenhausversorgung hat sich seitdem verändert. Wir haben sehr viel Personal verloren. Wir haben mehr Bedarf, zum Teil haben wir mehr Einwohner. Das heißt, es ist eine alte Studie, die für heute keine Relevanz mehr hat und somit auch nicht von mir kommentiert werden muss.
Was die heutige Situation angeht: - da darf ich mich für die guten Verhandlungen gestern bei den beteiligten Kolleginnen und Kollegen von der Ampel bedanken - Die Qualitätsoffensive geht nicht über die Schließung von Krankenhäusern. Wir wollen keine Krankenhäuser schließen, sondern, im Gegenteil, diese Reform hat zum Zweck, dass die Krankenhäuser am Netz bleiben können, die ohne die Reform schließen müssten, wie ich das eben ausgeführt habe.
Emmi Zeulner (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage geht dahin, dass ja Mitte Dezember letzten Jahres die Gas- und Strompreisbremse für die Krankenhäuser beschlossen wurde. Da ist ja nicht viel Geld angekommen, und deswegen ist schon die Frage, warum Sie nicht beispielsweise den Referenzzeitraum erweitern, sondern stattdessen ein neues Programm aufmachen, was zwar begrüßenswert ist, aber kein zusätzliches Geld für die Krankenhäuser bedeutet, wenn man einen Strich drunter macht.
Und Sie haben die Sachkosten ganz vergessen: Das gibt es 30 Prozent Inflation. Und das zahlen im Moment beispielsweise unsere Kommunen. Deswegen auch dahin gehend die Frage: Was tun Sie denn bei den Sachkosten, damit es da adäquat möglich ist, dass unsere - -
Emmi Zeulner (CDU/CSU):
Die Frage ist: Was machen Sie mit den Sachleistungen, damit die Krankenhäuser nicht weiterhin so defizitär sind und deswegen gezwungen sind, zu schließen, was einer kalten Strukturbereinigung gleichkommen würde?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, die 2,5 Milliarden Euro sind ja zusätzliches Geld. Sie würden nicht fließen, hätten wir den Mechanismus nicht verändert. Somit ist das tatsächlich Geld, das sonst nicht käme.
Und was die Sachkosten angeht: Das wird bei der Berechnung der Landesbasisfallwerte wieder eingerechnet.
Wir haben jetzt die nächste Nachfrage zu diesem Thema von dem Kollegen Lindemann aus der FDP-Fraktion.
Lars Lindemann (FDP):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Bundesminister Lauterbach, Sie haben eine ganz besondere Schnittstelle zu Ihrem Kollegen Pistorius, nämlich den Sanitätsdienst der Bundeswehr. Ich möchte Sie fragen: Sind Sie mit Ihrem Kollegen Pistorius darüber einig, dass die Bundeswehrkrankenhäuser im Rahmen der Krankenhausstrukturreform einen ganz besonderen Stellenwert haben müssen, damit sie hinterher auch noch ihren Auftrag erfüllen können?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ja, ich stimme Ihnen zu. Und das ist der Grund, weshalb die Bundeswehrkrankenhäuser im Eckpunktepapier im ersten Entwurf auch gesondert ausgewiesen sind.
Ates Gürpinar (DIE LINKE):
Vielen Dank für die Möglichkeit, eine Frage zu stellen. Herr Minister Lauterbach, ich möchte noch mal anmerken, dass wir vorher schon gesagt haben, dass das, was Sie für die Energiekosten der Krankenhäuser beschlossen haben, nicht ausreichen wird.
Ich möchte aber eine Frage stellen in Richtung Krankenhausreform und zwar zur Problematik, die Krankenhausreform zu finanzieren. In Dänemark, wo man ja eine ähnliche Zentralisierung vorgeschlagen hat, wurden 6 bis 7 Milliarden Euro veranschlagt. Wir sprechen in Deutschland von ungefähr 100 Milliarden Euro, die nötig wären, um eine Krankenhausreform mit Zentralisierung der Krankenhäuser durchzuführen. Wenn Sie wirklich keine Krankenhäuser schließen wollen, wie wollen Sie das denn ohne Geld von Herrn Lindner machen?
Danke schön.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die Krankenhausreform in Dänemark hat mit der Reform, die wir hier angehen, nicht viel gemeinsam. In Dänemark war der Ansatz, aus kleinen Krankenhäusern sehr große Krankenhäuser zu machen. Das hat die Investitionen verursacht. Wir haben schon sehr viele große Krankenhäuser, im Grunde genau so viele, wie wir benötigen. Von daher ist diese Investition in Deutschland nicht nötig. Wir haben die Infrastruktur bereits.
Reform der Pflegeausbildung
Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland, was die hochschulische Pflegeausbildung angeht, weit zurück. Wir sind weit entfernt von den Akademisierungsquoten von 15 bis 20 Prozent. Deswegen möchte ich Sie fragen, welche Bedeutung das geplante Pflegestudiumstärkungsgesetz in Bezug auf die Attraktivitätssteigerung insbesondere der hochschulischen Ausbildung haben kann und was sie darüber hinaus tun möchten, um das Pflegestudium weiter zu fördern und die Menschen dafür zu begeistern.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Vielen Dank für diese Frage. - Wir haben heute im Kabinett tatsächlich das Pflegestudiumstärkungsgesetz verabschiedet. In der Tat ist es eine sehr wichtige Initiative. Wir werden damit dazu übergehen, dass für die praktischen Teile im Studium eine Vergütung gezahlt wird, sodass die Studienplätze auch gefüllt werden. Jeder zweite Studienplatz ist derzeit nicht gefüllt. Wir müssen den Absolventinnen und Absolventen dieses Studiums auch gute Karrieremöglichkeiten eröffnen; daran wird intensiv gearbeitet. Ich gehe davon aus, dass wir innerhalb von sehr kurzer Zeit hier eine deutliche Zunahme der Studierendenzahlen beobachten können.
Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Welche Bedeutung messen Sie denn der Heilkundeübertragung an Pflegekräfte bei? Und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diesen Prozess zu unterstützen und vor allem auch zu beschleunigen?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Vielen Dank für diese Nachfrage. - In der Tat: Die Heilkundeübertragung ist ein wichtiges Instrument, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Hier ist Deutschland rückständig. Pflegekräfte, die sehr gut ausgebildet sind, dürfen in Deutschland weniger machen, als das im internationalen Umfeld der Fall ist. Das macht uns auch als Ort, an dem man Pflegearbeit gerne machen will, für internationale Kräfte weniger attraktiv. Wir arbeiten daran, das zu ändern. Wir werden im Laufe des Jahres hier einen gesetzlichen Vorschlag einbringen, um die Heilkundeübertragung einfacher zu machen.
Johannes Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Minister, auch bei den Studienplätzen für Mediziner/-innen gibt es gerade Überarbeitungsbedarf. Meine Frage zielt ab auf die Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte. Zurzeit verhandelt der Bund mit den Ländern darüber, wie die Nachbesserung konkret ausgestaltet werden muss. Welche Verbesserungsnotwendigkeit sehen Sie da im Vergleich zu bisherigen Legislaturperioden?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Bundesminister Pistorius hat eben darauf hingewiesen, dass im Bereich der Verteidigung viele Gesetze liegen geblieben sind. Das ist auch im Gesundheitsbereich so. Das gilt auch für die Approbationsordnung. Wir haben den Ländern dazu einen Vorschlag vorgelegt und diesen Vorschlag mit den Ländern jetzt auch weitestgehend verhandelt. Es ist vorgesehen, dass der Unterschied zwischen klinischer und vorklinischer Zeit aufgegeben wird, dass die Praxisanleitung viel stärker im Vordergrund steht und dass Teile des Praktischen Jahres in der Allgemeinmedizin vorgetragen werden müssen. Wir planen auch, die Zahl der Medizinstudienplätze deutlich zu erhöhen - eine notwendige Reform, die wir jetzt angehen, nachdem sie viele Jahre liegen geblieben ist.
Emmi Zeulner (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Minister, Sie hatten die Heilkundeübertragung an Pflegekräfte unterstützt. Da sind wir beim Thema der Vorbehaltsaufgaben in der Pflege. Es gibt da verschiedene Arbeitskreise. Ich wollte konkret nach dem Zeitplan für die Weiterentwicklung der Vorbehaltsaufgaben in der Pflege fragen. Wann wird man da zu weiteren Ergebnissen kommen, die ja dringend benötigt werden, um der Pflege Handlungssicherheit zu geben und gegebenenfalls auch über das Thema der Fachkraftquote in den Altenpflegeheimen sprechen zu können?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, Sie haben recht: Die Vorbehaltsaufgaben sind zu eng gefasst, sodass die Pflegekräfte nicht die Möglichkeiten haben, die sie haben sollten. Das wollen wir angehen, um den Beruf attraktiver zu machen. Das ist eine Reform, die in den letzten zwei Legislaturperioden notwendig gewesen wäre, aber liegen geblieben ist. Auch an diese Reform gehen wir heran. Wir werden noch in diesem Jahr einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, wo wir zum einen die Vorbehaltsaufgaben definieren und darüber hinaus auch die Arbeitsbereiche der Pflege ausweiten werden.
Sepp Müller (CDU/CSU):
Herr Minister, Sie hatten ausgeführt, dass Sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, eine Ausweitung der Zahl der Medizinstudienplätze planen. Wie habe ich das zu verstehen? Werden Sie mit Bundesmitteln Studienplätze ermöglichen? Werden Sie das SPD-geführte Bundesland Bremen dazu bringen, dass es endlich eine Medizinische Fakultät auf den Weg bringt, oder müssen ostdeutsche Bundesländer auch zukünftig die Bremer Medizinerinnen und Mediziner ausbilden auf Kosten dieser Bundesländer?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zunächst einmal: Die Babyboomer-Generation wird bald in Rente gehen; das wirkt sich auch auf die ärztliche Versorgung aus. Wir werden dann mehr Bedarf haben.
Es werden weniger Ärzte da sein. Die Begrenzung der Zahl der Studienplätze führt derzeit dazu, dass Bewerber abgelehnt werden; wir werden aber ungefähr 5 000 Studierende pro Jahr zusätzlich benötigen. Nachdem das Problem jahrelang bekannt war und dennoch nichts gemacht wurde, werden wir noch vor der Sommerpause im Rahmen unseres Versorgungsstärkungsgesetzes Vorschläge dazu vorbereiten. Diese Vorschläge werden wir dann mit Ihnen diskutieren. Ich kann allerdings jetzt nicht auf die Einzelsituation in Bremen eingehen. Wir müssen das große Problem bundesweit lösen.
Pflegereform
Ates Gürpinar (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Frage richtet sich an Herrn Lauterbach und betrifft die Pflegereform. Es ist ja viel schief und knapp gelaufen in den letzten Tagen und Wochen. Ich möchte eine Sache noch mal direkt nachfragen, und zwar zu den mutmaßlich entstehenden Mehrkosten durch den nun doch vorgesehenen Gesamtjahresbetrag für die Kurzzeit- und die Verhinderungspflege, zu dem Sie sich gemeinsam in der Koalition durchringen konnten - vielleicht eine der letzten Sachen, die Sie gemeinsam in dem Bereich noch machen können. Im Gegenzug sind aber die Pflegesachleistungen zum Januar 2025 um 0,5 Prozentpunkte geringer als ursprünglich im ersten Entwurf zugesagt.
Jetzt würde ich gern fragen, warum genau diese Pflegesachleistungen den Menschen gekürzt werden und im Gegenzug der Jahresbeitrag zusammengenommen wird, quasi um das zu finanzieren; denn die Gelder für die Leistungen müssten eigentlich bereits jetzt eingestellt sein, da Sie keine Leistungsausweitungen vornehmen. Wie kommen Sie also zu der Kürzung als Gegenmaßnahme zur gemeinsamen Finanzierung der Kurzzeit- und der Verhinderungspflege?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zunächst einmal: Die Prämisse ist natürlich falsch. Wenn ich etwas um 4,5 Prozent dynamisiere, ist das keine Kürzung. Das Entlastungsbudget führt dazu, dass gerade die pflegenden Angehörigen in der Verhinderungs- und in der Kurzzeitpflege eine deutliche Entlastung bekommen: im ersten Jahr der Einführung 250 Millionen Euro, im zweiten Jahr 650 Millionen Euro und im Jahr darauf 800 Millionen Euro. Das sind deutliche Entlastungen. Darum sind wir gebeten worden von den pflegenden Angehörigen. Das ist auch ein Ergebnis der Anhörung gewesen. Das haben wir umgesetzt.
Ates Gürpinar (DIE LINKE):
Ich muss Sie da leider korrigieren. Wir haben seit 2017 eine Inflation von 17 Prozent, und Sie erhöhen jetzt die Sachleistungen um 4,5 Prozent. Nach meiner Rechnung - ich war im Mathe-Leistungskurs - ist das insgesamt eine Kürzung für die Menschen in der Pflege.
Jetzt möchte ich Sie noch mal an meine Frage erinnern. Warum sind Sie von 5 Prozent auf 4,5 Prozent runtergegangen und haben im Gegenzug den Jahresbeitrag zusammengenommen, obwohl die Leistungen eigentlich schon eingestellt sein müssten? Sie haben also in der Debatte innerhalb der Koalition eine Kürzung vorgenommen, obwohl es eigentlich nicht nötig gewesen sein sollte. - Danke schön.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zunächst einmal: Die Dynamisierungen machen 4,5 Prozent aus und die Erhöhung der Leistungen zusätzliche 5 Prozent. Das sind dann insgesamt 9,5 Prozent. Und die von Ihnen in Rede gestellte Inflation kann ich so nicht bestätigen.
Dr. Janosch Dahmen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Der Kollege Gürpinar hat ja in seiner Hauptfrage Bezug genommen auf die Verbesserungen im Rahmen des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes. Teil des parlamentarischen Verfahrens zu diesem Gesetz ist auch die Änderung, dass ein Verweis von Notfallpatienten in Notaufnahmen an Notfallpraxen erfolgen soll. Das Ganze soll in eine große Notfallreform eingebettet werden. Könnten Sie kurz erläutern, warum das sachgerecht ist und die Patientenversorgung verbessert?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, auch hier ist es traurigerweise so, dass sehr viel liegen geblieben ist. Die Reform der Notfallversorgung ist in der letzten Legislaturperiode versucht worden; aber es hat leider keine Einigung gegeben. Daher ist die Zeit fortgeschritten. Die Kliniken sind voll, zum Teil auch mit Patienten, die dort gar nicht versorgt werden sollten. Patienten, die unbedingt die Versorgung benötigen, bekommen sie nicht, weil die Kliniken tatsächlich überfüllt sind.
Daher machen wir eine große Notfallreform. Wir wollen aber, dass in dieser Notfallreform sichergestellt ist, dass die Patienten, die eine unmittelbare Versorgung benötigen, diese auch bekommen. Daher diese Regelung, die wir mit dem Änderungsantrag aufgegriffen haben. Da sind wir übrigens auch Anregungen der Parlamentarier, Ihren Anregungen, gefolgt. Ich möchte mich dafür auch im Namen der Bundesregierung ganz herzlich bedanken.
Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU):
Frau Präsidentin, nun bin ich kein Fachpolitiker. Herr Lauterbach, jede Ihrer Antworten lautet: Es ist so furchtbar viel liegen geblieben. - Nun lese ich Ihnen aus Kürschners Volkshandbuch vor, in dem steht: MdB seit Oktober 2005, 2013 bis 2019 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Ich glaube, wenn ich richtig informiert bin, waren Sie in den letzten Jahren auch an der Bundesregierung beteiligt. Wie können Sie, wenn die SPD so viele Jahre und Jahrzehnte an der Regierung beteiligt ist, jedes Mal argumentieren, dass das alles liegen geblieben ist?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, aus der Erfahrung, die ich gerade mache, kann ich sagen, dass man als Bundesminister mehr Einfluss hat als als einzelner Abgeordneter, selbst wenn man Sprecher ist.
Martin Sichert (AfD):
Wir reden gerade über die Pflegereform. Jetzt haben Sie den Gesetzentwurf tatsächlich etwas abgeändert, aber darin steht weiterhin, dass sich die Bundesregierung ermächtigen möchte, per Verordnung den Pflegebeitragssatz jederzeit erhöhen zu können. Das ist eine Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie - also keine Kleinigkeit - und sorgt natürlich bei den Bürgern auch für eine gewisse Unsicherheit, wenn es sein kann, dass die Beitragssätze aufgrund einer Schieflage durch die Bundesregierung ganz kurzfristig erhöht werden müssen. Deswegen meine Frage an Sie: Glauben Sie tatsächlich, dass es so kurzfristige Finanzengpässe im Bereich der Pflegebeiträge gibt, - dass solche Verordnungsermächtigungen notwendig sind?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die Abstimmung - zweite und dritte Lesung - ist am Freitag. Sie werden bis dahin noch die Gelegenheit haben, sich mit dem Gesetz auseinanderzusetzen. Wenn Sie sich einlesen, dann sehen Sie, dass die Beteiligung des Parlamentes vorgesehen ist, anders als im ursprünglichen Entwurf. Dann rechne ich auch mit Ihrer Zustimmung, weil wir genau diese Beteiligung des Parlamentes jetzt auch erfolgt.
Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Nachfrage zulassen. - Herr Minister, Sie haben auf die Frage des Kollegen Dr. Dahmen geantwortet, dass mit der Notfallreform auch sichergestellt werden soll, dass die Patientinnen und Patienten, die jetzt nicht optimal versorgt sind, künftig besser versorgt werden. Das gilt ja auch für Patientinnen und Patienten mit psychischem Hilfebedarf. Welche Pläne verfolgt die Bundesregierung da?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, Sie sprechen einen sehr wichtigen Punkt an. Häufig ist es in den Notfallzentren nicht möglich, psychisch erkrankte Menschen als solche zu erkennen; die Versorgung ist dann suboptimal. Im Rahmen der jetzt geplanten Reform der Notfallversorgung werden wir dem Rechnung tragen und dafür sorgen, dass in den gemeinsamen Notfallzentren auch die psychische Erkrankung und die psychische Störung klar und früh erkannt werden kann, sodass dort eine Versorgungslücke geschlossen werden kann, die schon seit Jahren besteht.
Emmi Zeulner (CDU/CSU):
Meine Frage geht an Herrn Minister Lauterbach. Von zehn Pflegebedürftigen werden acht daheim gepflegt. Deshalb spielt zukünftig die Rolle der Kommunen in diesem Bereich, was die Organisation und die Versorgung vor Ort angeht, eine entscheidende Rolle. Deswegen möchte ich Sie fragen, warum Sie hinter Ihren eigenen Forderungen im Referentenentwurf des PUEG zurückbleiben und jetzt weniger Geld für Modellprojekte und Strukturplanungen in den Kommunen geben. Das ist absolut unzureichend und wird von uns massiv kritisiert. Am Ende fehlt nicht nur in manchen Bereichen mehr Geld, vielmehr ist auch nichts zu spüren von einer Strukturreform, an die wir eigentlich ran müssten, - was wirklich dramatisch ist.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete, zunächst einmal müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir beschlossen haben, dass diese Modellprojekte durch die Kommunen weitergeführt werden. Das wäre ja nicht selbstverständlich gewesen. Wir sorgen dafür, dass es weitergeht. Für die Anträge, die wir bisher gesehen haben, wird das, was wir zur Förderung zur Verfügung stellen, auch reichen. Das Problem ist nicht, dass zu wenig erforscht wird, sondern dass zu wenig umgesetzt wird. Auch daran arbeiten wir. Ich hoffe, dass wir daran gemeinsam arbeiten können. Die Kommunen wissen, was gemacht wird, sie machen Projekte, die dann aber nicht in die Fläche gebracht werden. Daran können wir nur gemeinsam arbeiten.
Cannabis
Dirk Heidenblut (SPD):
Danke, Frau Präsidentin, und vielen Dank auch an den lieben Kollegen. - Meine Frage geht an Bundesminister Lauterbach. Sehr geehrter Herr Bundesminister Lauterbach, Sie haben vor Kurzem zusammen mit Ihrem Kollegen ein neues Eckpunktepapier im Zusammenhang mit der Legalisierung von Cannabis vorgestellt. Dieses Eckpunktepapier fußt auf zwei Säulen, einmal der Entkriminalisierungssäule und einmal der Säule Modellvorhaben; das ist das, was die SPD schon lange fordert. Meine konkrete Frage zur Säule eins wäre: Wann können wir denn mit einer ersten Befassung im Parlament rechnen? Wie ist da das weitere Vorgehen?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, der Kabinettsentwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Ich rechne daher damit, dass wir noch vor der Sommerpause eine entsprechende Befassung hier veranlassen können.
Dirk Heidenblut (SPD):
Dann hätte ich noch die folgende Nachfrage: Was würden Sie denn den diversen Ministern aus unionsgeführten Ländern, die bereits mit heftiger Kritik reagiert haben, bezogen auf die Kritik antworten, die im Hinblick auf das Eckpunktepapier geäußert wurde?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen Dank für die Nachfrage, Herr Abgeordneter. Zunächst einmal ist es ja ein Problem, das nicht von alleine weggeht. Wir haben eine steigende Anzahl Abhängiger. Wir haben mehr Drogenkonsum. Wir haben hier Kriminalität. Wir haben ein Problem, das wir nicht in Griff bekommen; da müssen wir uns ehrlich machen. Wenn man den Schwarzmarkt in den Hintergrund rücken und die Beschaffungskriminalität in den Griff bekommen will, dann muss man ein Gesetz bringen, das zum einen den Jugend- und Kinderschutz sichert, zum anderen aber auch einen legalen, qualitätsgesicherten Konsum erlaubt. Daran arbeiten wir.
Kristine Lütke (FDP):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Minister Lauterbach, Sie haben gerade schon ein bisschen zur Säule eins ausgeführt. Aber um den Schwarzmarkt durch die Cannabislegalisierung zurückzudrängen und vor allem einen verbesserten Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz zu gewährleisten, ist es ja auch wichtig, dass wir mit der Säule zwei vorankommen. Da wäre meine Frage, ob Sie noch mal ausführen könnten, wie der zeitliche Zusammenhang von Säule eins und Säule zwei vielleicht auch schon in dem Gesetzesentwurf zur Säule eins verankert werden kann.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete, wir werden für Säule zwei, also für das Angebot, kommerziell qualitätsgesicherte Cannabisprodukte kaufen zu können, noch in der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzentwurf entwickeln.
Ates Gürpinar (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben mit der ersten Säule ja quasi deswegen begonnen, um nicht die Zustimmung der Länder bekommen zu müssen; zumindest war das eine gewisse Vermutung. Wie können Sie jetzt garantieren, dass vor allem die erste Säule in allen Bundesländern - zumindest auch in meinem, in Bayern - wirklich durchgesetzt wird und dass die Länder nicht Extramaßnahmen beschließen, die die Entkriminalisierung von Cannabis bzw. die Legalisierung von Cannabis verunmöglichen?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordneter, diese Frage kann ich nur damit beantworten: Es wird ja ein Bundesgesetz sein, und Bundesgesetze gelten auch in Bayern.
Sepp Müller (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Minister, wir haben in der letzten Woche eine neue Studien aus Dänemark gesehen, die nachweist, dass Schizophrenie bei 30 Prozent der Männer darauf zurückzuführen ist, dass sie im Jugendalter Cannabis konsumiert haben. Wir kennen die Studienlage, und Sie haben ja in der letzten Zeit viele Studien aus Neuseeland und den Niederlanden gelesen, die insbesondere sagen, dass bei den unter 25-Jährigen, wenn sie Cannabis konsumieren - was dort legal ist -, langfristig psychische Probleme entstehen. Wie können Sie als Gesundheitsminister sicherstellen, dass unter 25-Jährige nicht an Cannabis kommen?
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die Lage ist ja jetzt bestürzend , weil die unter 25-Jährigen, die Cannabis konsumieren, die größten Erkrankungsrisiken tragen, wie Sie korrekt beschrieben haben. Das ist ja das Problem: Es nimmt zu. Wir wollen mit dem Gesetzentwurf, den wir vorlegen, gerade beim Kinder- und Jugendschutz, aber auch beim Schutz von 18- bis 25-Jährigen besonders aktiv werden. Wenn man das gut macht, dann kann der Konsum dort zurückgehen, wie zum Beispiel auch die Erfahrungen in Kanada zeigen, wo die Legalisierung genau diese Folgen hat, wie der kanadische Gesundheitsminister unlängst bei der G-7-Tagung ausgeführt hat.