Schlüssel zum Verstehen von Demenz

Eine Demenz geht weit über den Verlust der geistigen Fähigkeiten hinaus. Sie beeinträchtigt die Wahrnehmungen, das Verhalten und Erleben der Betroffenen – das gesamte Sein des Menschen. In der Welt, in der sie leben, besitzen die Dinge und Ereignisse oft eine völlig andere Bedeutung als in der Welt der Gesunden. Die Betroffenen vereinsamen innerlich, da ihnen keiner in ihrem Erleben der Welt mehr zu folgen vermag.

Niemand weiß wirklich, wie es in einem Menschen mit Demenz aussieht, denn nur im Anfangsstadium der Demenz können sich die Betroffenen selbst mitteilen. Später müssen die Angehörigen erfühlen, wie es dem Menschen mit Demenz geht, was er benötigt und was ihm guttut.

Für die Betreuenden bedeutet das, dass sie sich in die Welt der Betroffenen begeben müssen, um von ihnen verstanden zu werden. Um in Kontakt mit ihnen zu bleiben, müssen sie sich in deren Situation einfühlen und auf diese Weise mit ihnen in Verbindung treten.

Der Schlüssel für etliche Verhaltensweisen von Menschen mit Demenz liegt in ihrer Biografie verborgen. Einschneidende Erlebnisse, persönliche Ängste und Charaktereigenschaften der Betroffenen zu kennen, heißt, sie auch im Verlauf der Demenz besser zu verstehen. Deshalb können nahe Angehörige das Verhalten der Menschen mit Demenz meist am besten verstehen.

Gestörte Merkfähigkeit und Gedächtnisabbau

Die Schwierigkeit, sich Dinge zu merken, steht in der Regel am Beginn einer Demenzerkrankung. Den Betroffenen gelingt es nicht mehr, neue Informationen im Langzeitgedächtnis zu speichern – sie vergessen Termine, verlegen Gegenstände oder erinnern sich nicht an die Namen entfernter Bekannter. Von einer Demenz Betroffene bemerken ihre Leistungsverluste meist schneller als alle anderen. Oft geraten sie aufgrund ihrer Gedächtnislücken völlig durcheinander und fühlen sich gedemütigt und beschämt. Mithilfe von Merkzetteln oder durch Zurückhaltung in Gesprächen versuchen sie, ihre Vergesslichkeit zu verbergen. Hobbys werden aus vorgeschobenen Gründen aufgegeben, Fehler abgestritten und Angehörige beispielsweise beschuldigt, Geld weggenommen zu haben.

Im weiteren Verlauf der Demenz sind sich die Betroffenen ihrer Gedächtnisprobleme immer weniger bewusst. Das Leiden an den Folgen, wie beispielsweise dem Verlust von Unabhängigkeit, bleibt aber bestehen. Zur schwindenden Merkfähigkeit tritt ein fortschreitender Gedächtnisabbau, zunehmend verblassen auch bereits eingeprägte Inhalte des Langzeitgedächtnisses. In der Folge wird das logische Denken beeinträchtigt, gehen erworbene Fähigkeiten verloren und nimmt das Sprachvermögen ab. Am Ende verlieren die Betroffenen schließlich das Wissen darüber, „wer sie waren“ und „wer sie sind“.

In fehlenden Erinnerungen liegt häufig der Grund für das unverständliche Verhalten der Erkrankten: Wer sich nicht mehr an die Person erinnert, die einem gerade aus den Kleidern helfen möchte, wird sie als Zumutung für seine Intimsphäre empfinden – und sie unter Umständen beschimpfen oder sich weigern, sich auszuziehen. Versetzt man sich jedoch in die Welt der Erkrankten, ist dies durchaus eine verständliche Reaktion. Durch angemessene Reaktionen wie praktische Hilfe der Angehörigen können die negativen Folgen der Gedächtnisstörungen für die Betroffenen zumindest gemildert werden.

Tipps für Angehörige

Verständnisverlust

  • Versuchen Sie nicht, den erkrankten Menschen mithilfe logischer Argumente von Ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen.

  • Gehen Sie Streitereien oder Diskussionen aus dem Weg, indem Sie ihm entweder recht geben oder ihn ablenken.

  • Erwarten Sie nicht, dass er fähig ist, seine Handlungen zu erklären

  • Beseitigen Sie die Ursachen seiner Sorgen und Fehlinterpretationen wie etwa knackende Heizungsrohre.

  • Ist dies nicht möglich, versuchen Sie, ihn auf der Gefühlsebene zu beruhigen, etwa durch Argumente wie: "Ich verstehe, dass das Heulen des Windes dir Angst macht, aber ich passe auf, dass uns nichts passiert."

  • Suchen Sie selbst nach Ursachen, wenn der Erkrankte scheinbar grundlos beunruhigt oder verängstigt ist.

Wechselwirkung von Denken und Fühlen

Der von einer Demenz betroffene Mensch büßt zwar Teile seines Erinnerungs- und Denkvermögens ein, seine Erlebnisfähigkeit und sein Gefühlsleben bleiben jedoch erhalten.

Die Erkrankten empfinden die Trauer über ihren Verlust an Fähigkeiten und Unabhängigkeit umso stärker, weil sie nicht in der Lage sind, ihren Gefühlen mit dem Verstand zu begegnen. Versagt ein gesunder Mensch in einer bestimmten Situation, kann er sich darauf besinnen, dass dieses Versagen eine Ausnahme darstellt oder dass er gestern eine ähnliche Situation erfolgreich bewältigt hat. Vor diesem Hintergrund schöpft er neue Hoffnung und bewältigt seine Krise. Hoffnung bedeutet, sich nach negativen Erlebnissen an gute Erfahrungen zu erinnern und zu wissen, dass es beim nächsten Mal besser klappen wird. Menschen mit Demenz sind insofern „hoffnungslos“, als dieser Verarbeitungsmechanismus bei ihnen oftmals nicht mehr vorhanden ist und sie ihren negativen Gefühlen damit vollständig ausgeliefert sind.

Das häufige Erleben von Misserfolgen führt bei Menschen mit Demenz zu Angst vor der eigenen Leistungsunfähigkeit. Viele vereinsamen innerlich, da ihnen niemand in ihre eigene Welt zu folgen vermag. Verlustängste prägen ihr Dasein besonders stark, da sich ihr Leben mehr und mehr als eine Reihe von Verlustsituationen entpuppt. Das Zurechtfinden auch in vertrauter Umgebung wird immer schwieriger, Autofahren ist nicht mehr möglich, Telefonieren gerät zur Qual, Schlüssel werden verlegt, Bargeld wird nicht mehr gefunden. Die Betroffenen sehnen sich in dieser Situation danach, nicht noch mehr Einschränkungen und Verluste zu erleiden. Sie ziehen sich daher immer mehr von Aktivitäten zurück und klammern sich an ihre Angehörigen – aus Angst, diese auch noch zu verlieren.

Für die Betreuung von Menschen mit Demenz ist es wichtig, den Zusammenhang von Denken und Fühlen zu erkennen und negative Gefühle, wenn möglich, zu vermeiden.

Tipps für Angehörige

Umgang mit Gefühlen

  • Akzeptieren Sie Ausreden und Leugnungen wie etwa ein „Das war ich nicht“ für ein eingenässtes Bett als Bewältigungsversuch.

  • Vermeiden Sie soweit möglich alles, was negative Gefühle auslöst, wie zum Beispiel Kritik, Überforderung oder unangenehme Situationen.

  • Ermutigen und loben Sie den erkrankten Menschen so oft wie möglich.

  • Beruhigen Sie ihn bei Angst- oder Furchtreaktionen und halten Sie Körperkontakt.

  • Beziehen Sie starke Gefühlsschwankungen nicht auf sich.

  • Wenn der Erkrankte sich an Sie klammert oder Ihnen hinterherläuft, versichern Sie ihm, dass Sie wiederkommen, und suchen Sie jemanden, der sich während Ihrer Abwesenheit um ihn kümmert.

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