Ziel 1 – Inanspruchnahme Krebsfrüherkennung

Die informierte Inanspruchnahme der im Nutzen belegten Krebsfrüherkennungsprogramme der gesetzlichen Krankenkassen wird gesteigert:

  • Verbesserung der Informationsangebote über Nutzen und Risiken der Krebsfrüherkennung mit dem Ziel einer informierten Entscheidung
  • Verbesserung der Teilnahmeraten an den im Nutzen belegten Screening­-Programmen

Hintergrund

Die von den gesetzlichen Krankenkassen angebotenen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen haben teilsweise das Potenzial, für bestimmte Krebsformen (Darmkrebs, Gebärmutterhalskrebs) durch die Entdeckung und Behandlung prognostisch günstiger Vor- oder Frühstadien die Krebsentstehung zu verhindern und die Überlebensaussichten bei frühzeitig entdeckten und behandelten Krebserkrankungen sowie die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Jede Krebsfrüherkennungsuntersuchung kann neben einem Nutzen (vor allem Senkung der Sterblichkeit, der Krankheitshäufigkeit fortgeschrittener Tumorstadien und der Beeinträchtigung durch die Krankheit) auch Risiken (z. B. falsche Diagnosen und unnötige Abklärungsdiagnostik) mit sich bringen. Da sich das Krebsfrüherkennungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung an beschwerdefreie Bürgerinnen und Bürger richtet, ist eine informierte Entscheidung für oder gegen die Teilnahme an einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung besonders wichtig. Um dies zu ermöglichen, sind u. a. objektive und verständliche Informationen über potenzielle Vor- und Nachteile, die mit einer Untersuchung einhergehen können, zur Verfügung zu stellen.

Vor diesem Hintergrund geht es bei Ziel 1 des Nationalen Krebsplans darum, auf individueller Ebene die informierte Entscheidung und die sachgerechte Information über Chancen und Risiken der Krebsfrüherkennung zu verbessern. Gleichzeitig soll auf der bevölkerungsmedizinischen Ebene eine möglichst hohe Teilnahmerate der im Nutzen belegten Krebsfrüherkennungsprogramme erreicht werden. Diese beiden Zielkomponenten weisen insofern ein Spannungsverhältnis auf, da eine informierte Entscheidung auch die Möglichkeit beinhaltet, sich gegen die Teilnahme an einer Krebsfrüherkennung zu entscheiden. Dies ist sachlich dadurch begründet, dass die Krebsfrüherkennung insbesondere auf bevölkerungsmedizinischer Ebene eine Reihe von Chancen (z. B. Senkung der Sterblichkeit durch frühere Diagnosesicherung und Behandlungsbeginn), aber auch – v. a. auf individueller Ebene – mögliche Risiken beinhaltet (z. B. direkte Schädigungen durch die Untersuchung selbst, unnötige Beeinträchtigungen durch falsch-positive Befunde, d.h. durch „falschen Alarm“).

Insofern ergab sich folgende differenzierte Einschätzung der Expertinnen und Experten:

  • Aus Public-Health-Perspektive ist eine hohe Teilnahmerate an effektiven Früherkennungsuntersuchungen sinnvoll, um durch eine Senkung der Neuerkrankungsrate (Inzidenz), Krankheitshäufigkeit (Morbidität) und Sterblichkeit (Mortalität) die Belastungen für die Gesamtheit der Versicherten im Gesundheitssystem zu vermindern.
  • Zugleich ist es notwendig, potenzielle Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Vorteile sowie Risiken und Nebenwirkungen der Früherkennungsmaßnahmen ausgewogen und verständlich zu informieren.

Empfehlungen

Auf der Grundlage einer umfassenden Problem-Analyse formulierte die Experten-Arbeitsgruppe im Nationalen Krebsplan im Jahr 2010 folgende Umsetzungsempfehlungen zur Verbesserung einer informierten Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennung:

  1. Politische „Willenserklärung“, die informierte Entscheidungsfindung bei Krebsfrüherkennungsuntersuchungen zu fördern

  2. Förderung der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der informierten Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennung

  3. Im Sinne von Einheitlichkeit und Wirtschaftlichkeit und zur Vermeidung von Doppelstrukturen sollte auf der Grundlage bereits bestehender Strukturen und Institutionen möglichst eine kooperative Struktur folgende Aufgaben zur Verbesserung der Information über Krebsfrüherkennung wahrnehmen:

    • Entwicklung und kontinuierliche Verbesserung eines Kriterienkatalogs für Informationen zu Krebsfrüherkennungsuntersuchungen

    • Inhaltliche Gestaltung von spezifischen Informationsangeboten

    • Koordination der Informationsangebote

    • Bewertung unterschiedlicher Maßnahmen zur Verbesserung der informierten Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennung

    • Identifikation von weiterem Forschungsbedarf sowie Koordination der Forschung

  4. Prüfung, welche Maßnahmen der Krankenkassen am effektivsten sind hinsichtlich einer informierten Entscheidungsfindung und Teilnahmesteigerung bei Krebsfrüherkennungsuntersuchungen

  5. Prüfung der Sinnhaftigkeit einer ergänzenden qualitätsgesicherten persönlichen Beratung in Arztpraxen. So sollten für die Beratung Qualitätskriterien erstellt und eine Fortbildung für Ärzte und Arzthelferinnen entwickelt werden (Erstellung Curricula/Erstellung von Materialien)

  6. Förderung und wissenschaftliche Begleitung von Aktivitäten zur Steigerung der informierten Inanspruchnahme durch unterschiedliche Akteure

  7. Entwicklung von Konzepten für kommunikative Maßnahmen via Medien, die eine informierte Entscheidungsfindung unterstützen

  8. Erstellung von Konzepten zur Förderung der Peer-Kommunikation (Kommunikation zwischen den Betroffenen)

Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen

Die informierte Entscheidung im Zusammenhang mit der Krebsfrüherkennung ist ein wichtiger Aspekt des am 9. April 2013 in Kraft getretenen Gesetzes zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG).

Das o. a. Gesetz hat zentrale Empfehlungen des Nationalen Krebsplans aufgegriffen. Durch die gesetzlichen Regelungen wurde ein klarer rechtlicher Rahmen geschaffen, um die bisherigen Früherkennungsangebote der gesetzlichen Krankenversicherung für Gebärmutterhalskrebs und für Darmkrebs in organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme mit einem persönlichen Einladungswesen sowie durchgängiger Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle zu überführen. Mit der Einladung soll auch eine neutrale, ausgewogene und verständliche Information über Vor- und Nachteile der jeweiligen Krebsfrüherkennungsmaßnahme erfolgen, um den Versicherten eine informierte, freie Entscheidung über eine Teilnahme zu ermöglichen. Somit hat das KFRG die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Krebsfrüherkennung mit einer höheren Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit durchgeführt werden kann. Durch die Einladung bzw. persönliche Ansprache können auch mehr Menschen von den Angeboten erreicht werden. Dabei wird das Ziel einer informierten individuellen Entscheidung dem Ziel einer möglichst hohen Teilnahmerate übergeordnet.

Die weitere Umsetzung des Regelungsteils zur Krebsfrüherkennung fällt vorrangig in die Verantwortung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der das Nähere zur Durchführung der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme in seinen Richtlinien zu regeln hatte.

Der G-BA hat am 19. Juli 2018 eine umfangreiche neue „Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme“ mit einem besonderen Teil für das Darmkrebs-Screening beschlossen. Dieser Beschluss ist auf den Internetseiten des G-BA veröffentlicht. Der G-BA-Beschluss zum Screening-Programm für Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) folgte am 22. November 2018. Auch dieser Beschluss ist auf den Internetseiten des G-BA veröffentlicht. Die neue Richtlinie des G-BA enthält u. a. Musterschreiben für die Einladungen zum Darmkrebs-Screening und zum Gebärmutterhalskrebs-Screening sowie Muster der Versicherteninformationen (im Sinne von Entscheidungshilfen) zu beiden Screening-Programmen für die anspruchsberechtigten Bürgerinnen und Bürger. Seit Juli 2019 versenden die gesetzlichen Krankenkassen die Einladungen und Versicherteninformationen zum Darmkrebs-Screening an ihre anspruchsberechtigten Versicherten ab 50 Jahren. Seit Januar 2020 schreiben die gesetzlichen Krankenkassen auch ihre weiblichen Versicherten ab 20 Jahren an und informieren sie über das neu gestaltete Gebärmutterhalskrebs-Screening.

Zur Beförderung des Themas „Informierte Entscheidung“ fand auf initiative der Arbeitsgemeinschaft Dermatologischer Prävention (ADP) e. V. vom 26. bis 27. Februar 2015 in Berlin ein praxisbezogener, wissenschaftlicher Workshop zur informierten und partizipativen Entscheidungsfindung von Bürgerinnen und Bürgern, Patientinnen und Patienten und Leistungserbringern statt. Die Ergebnisse des Workshops wurden im Nationalen Krebsplan im Hinblick auf ihre weitere Verwertbarkeit geprüft.

Außerdem hat das Bundesgesundheitsministerium im Rahmen seines Förderschwerpunktes „Forschung im Nationalen Krebsplan“ mehrere Projekte zum Themenbereich „informierte Entscheidung und Patientenkompetenz“ gefördert. Die Ergebnisse dieser Projekte wurden bei einer Veranstaltung am 19. Mai 2016 in Berlin vorgestellt. Eine im Nationalen Krebsplan seit März 2018 eingesetzte Querschnitts-Arbeitsgruppe „Gesundheitskompetenz und Patientenorientierung in der Onkologie“ hat sich damit befasst, die bisher umgesetzten Experten-Empfehlungen zu Ziel 1 (und den Zielen im Handlungsfeld 4 „Patientenorientierung“ des Nationalen Krebsplans) sowie die o. g. Workshop- und Projekt-Ergebnisse zu bewerten.

Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz und die informierte sowie partizipative Entscheidungsfindung in den nächsten Jahren im deutschen Gesundheitswesen weiter zu stärken. Hierzu war der Start des nationalen Gesundheitsportals am 1. September 2020 ein wichtiger Meilenstein. Das nationale Gesundheitsportal gesund.bund.de ist auf Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit entstanden, das auch als Herausgeber fungiert. Es soll Menschen dabei unterstützen, die eigene Gesundheit zu verstehen und medizinische Angebote zu Vorbeugung/Früherkennung, Diagnostik und Behandlung richtig einordnen zu können. Hierfür bietet das Portal wissenschaftlich fundierte, neutrale und allgemein verständliche Gesundheitsinformationen für Bürgerinnen und Bürger an. Um dem hohen Qualitätsanspruch umfassend gerecht zu werden, wird mit ausgewählten Partnern – wie dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), dem Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und dem Robert Koch-Institut (RKI) – zusammengearbeitet.

Stand: 7. November 2024

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