Ziel 9 – Psychoonkologische Versorgung
Alle Krebspatienten erhalten bei Bedarf eine angemessene psychoonkologische Versorgung:
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Verbesserung der Erkennung psychosozialen Unterstützungsbedarfs sowie behandlungsbedürftiger psychischer Störungen bei Krebspatienten und Angehörigen
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Sicherstellung der notwendigen psychoonkologischen Versorgung im stationären und ambulanten Bereich
Hintergrund
Die Krebserkrankung, deren Behandlung und mögliche Behandlungsfolgen können bei den betroffenen Erkrankten in vielfältiger Weise zu psychosozialen Belastungen führen. So zeigen Studien, dass circa 25 bis 30 Prozent aller Krebskranken im Verlaufe ihrer Erkrankung behandlungsbedürftige psychische Störungen oder ausgeprägte psychosoziale Beeinträchtigungen erfahren. Eine qualifizierte Krebsbehandlung sollte daher auch die psychoonkologische Versorgung von Krebskranken sowie ihrer Angehörigen umfassen. Psychosoziale Versorgung beinhaltet die Information, Beratung und Begleitung zur Bewältigung der Erkrankung und ihrer sozialen Folgen.
Angemessene Maßnahmen der psychoonkologischen Versorgung können die Bewältigung der Krebserkrankung unterstützen, psychische und psychosomatische Symptome lindern und die Lebensqualität, die soziale Eingliederung sowie die Therapietreue verbessern.
Empfehlungen und Maßnahmen
Die im Nationalen Krebsplan eingesetzte Experten-Arbeitsgruppe hatte sich im Jahre 2010 für ein zweistufiges Vorgehen ausgesprochen und im ersten Schritt folgende Maßnahmen empfohlen:
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Verbesserung der Dokumentation:
Mit psychoonkologischen Experten der Fachgesellschaften solle eine einheitliche Dokumentation anhand spezifischer Variablen vereinbart werden. Diese Variablen sollten zum Beispiel Aussagen zur individuellen Belastung, zu psychoonkologischen Beratungs-, Behandlungs- und Rehabilitationserfordernissen sowie zu laufenden Interventionen und deren Ergebnissen beinhalten und könnten auch in Leitlinien oder Zertifizierungskriterien integriert werden.
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Identifizierung und Behebung von Versorgungslücken:
Das gesamte psychoonkologische Versorgungsangebot in Deutschland solle anhand einer umfassenden, bundesweiten Erhebung ermittelt werden. Auf dieser Basis könnten mögliche strukturelle und regionale Versorgungsdefizite erkannt und behoben werden.
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Verbesserung der außerstationären psychoonkologischen Versorgung:
Große Versorgungslücken bestanden nach damaliger Kenntnis in der außerstationären Versorgung – insbesondere bei den Krebsberatungsstellen und der Erbringung ambulanter psychoonkologischer Leistungen. Um Verbesserungen zu erzielen, wurde daher für die Krebsberatungsstellen ein einheitliches Qualitätssicherungskonzept, das einen Leistungskatalog und eine Zertifizierung umfasst, als notwendig erachtet. Darüber hinaus wurde eine einheitliche Finanzierung der Krebsberatungsstellen empfohlen. Des Weiteren wurde eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Psychotherapie-Richtlinie für spezifische psychosoziale Belastungen empfohlen. Auch sollten die Möglichkeiten zur Erbringung von flexiblen psychotherapeutischen Kurzzeitinterventionen für bestimmte Krebskranke verbessert werden.
In einem zweiten Schritt sollten weitere vier Maßnahmen umgesetzt werden:
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Verbesserung der stationären psychoonkologischen Versorgung:
Bedarfsgerechte psychoonkologische Leistungen sollten fester Bestandteil des Versorgungsangebots aller stationären Einrichtungen, die Krebskranke behandeln, werden. Hierzu gehöre auch eine entsprechende Berücksichtigung im Vergütungssystem. Ferner sollten patientenorientierte Informationen über die Leistungen eines Krankenhauses bereitgestellt werden (zum Beispiel im Rahmen der strukturierten Qualitätsberichte der Krankenhäuser).
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Verbesserung der Informationen:
Qualitätsgesicherte Informationen sollten adressatengerecht erarbeitet werden, um zu veranschaulichen, auf welche Weise psychoonkologische Versorgungsangebote die Krebskranken und ihre Angehörigen unterstützen können und wo sie (regional) verfügbar sind.
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Verbesserung des Zugangs zu Versorgungsangeboten:
Die Steuerung der psychoonkologischen Versorgung (Anlaufstelle zur Feststellung des Versorgungsbedarfs und der Vermittlung geeigneter Einrichtungen/Personen) könne regional sehr unterschiedlich organisiert werden. Eine Bestandsaufnahme und Auswertung bestehender Modelle und gegebenenfalls die Entwicklung und Erprobung neuer Modelle wurde daher empfohlen.
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Qualifizierung konzipieren:
Es sollte ein Konzept dafür entwickelt werden, welcher Personenkreis mit welcher Qualifikation welche psychotherapeutische beziehungsweise psychosoziale Leistung erbringen darf.
Vor diesem Hintergrund wurden im Förderschwerpunkt des Bundesministeriums für Gesundheit "Forschung im Nationalen Krebsplan" im Zeitraum 2012 bis 2015 unter anderem drei Forschungsprojekte gefördert, die sich mit der besseren Erkennung des erforderlichen Unterstützungsbedarfs und der effektiven Vermittlung geeigneter Versorgungsangebote befassen sowie über die bedarfsgerechte psychoonkologische Versorgung in strukturschwachen ländlichen Gebieten Aussagen treffen sollten. Die Ergebnisse der abgeschlossenen Vorhaben wurden auf einer Abschlussveranstaltung präsentiert und auch in den Gremien des Nationalen Krebsplans, vorrangig unter anderem in der Arbeitsgruppe "Qualitätssicherung und Finanzierungsmodelle für Krebsberatungsstellen", im Hinblick auf ihre Verwertbarkeit beraten.
Schaffung einer nachhaltigen Finanzierung für ambulante psychosoziale Krebsberatungsstellen
Ambulante psychosoziale Krebsberatungsstellen bieten den Betroffenen eine niedrigschwellige psychosoziale Versorgung an und erfüllen auch eine Lotsenfunktion bei der Vermittlung und Erschließung weiterführender Leistungsangebote. Ihre Beratungsleistungen beziehen sich auf soziale, sozialrechtliche und psychologische Fragen und Probleme, die im Rahmen einer Krebserkrankung auftreten.
Die Sicherung einer nachhaltigen Finanzierung von ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen war daher eine vordringliche Aufgabe im Nationalen Krebsplan.
Als grundlegende Maßnahme zur Zielerreichung war eine bundesweite, regional differenzierte Bestandsaufnahme des vorhandenen psychoonkologischen Versorgungsangebots von der oben genannten Experten-Arbeitsgruppe empfohlen worden. Daher hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hierzu ein Forschungsprojekt "Psychoonkologische Versorgung in Deutschland: Bundesweite Bestandsaufnahme und Analyse" zur Umsetzung der Empfehlungen zu Ziel 9 des Nationalen Krebsplans am Universitätsklinikum Hamburg in der Zeit von 2016 bis 2018 gefördert. Neben der Untersuchung der verschiedenen Versorgungsbereiche (ambulant, stationär und rehabilitativ) wurden darüber hinaus die verfügbaren Angebote bundesweit und regional differenziert erhoben. Mit diesem Gutachten liegen zum ersten Mal bundesweite Daten zur psychoonkologischen ambulanten, stationären und rehabilitativen Versorgung für das Erhebungsjahr 2016 vor. Im Rahmen des Vorhabens wurden rund 36.000 Anbieter psychoonkologischer Leistungen in allen Sektoren ermittelt. Die Ergebnisse des Gutachtens umfassten auch Schlussfolgerungen und Empfehlungen für eine zukünftige Ausgestaltung des psychoonkologischen und psychosozialen Versorgungsangebotes in Deutschland.
Psychoonkologische Versorgung in Deutschland: Bundesweite Bestandsaufnahme, Analyse und gesetzliche Weiterentwicklung
Wissenschaftliches Gutachten (bundesweite Bestandsaufnahme der psychoonkologischen Versorgung) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Parallel zur oben genannten Bestandsaufnahme hatten Expertinnen und Experten des Nationalen Krebsplans (NKP) in der Arbeitsgruppe "Qualitätssicherung und Finanzierungsmodelle für Krebsberatungsstellen" (Arbeitsgruppe KBS) unter der Moderation des BMG ein Papier mit "Empfehlungen für das Leistungsspektrum, die Qualitätskriterien und für Finanzierungsmodelle ambulanter psychosozialer Krebsberatungsstellen“ erarbeitet und abgestimmt. Dieses Empfehlungspapier wurde von der Steuerungsgruppe des NKP am 29. November 2019 abschließend beraten und angenommen.
Mit der Aufnahme des § 65e in das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) im November 2019 wurde dann zeitnah eine Grundlage für eine dauerhafte Finanzierung von Krebsberatungsstellen geschaffen. Zunächst war vorgesehen, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) und anteilig die privaten Krankenversicherungsunternehmen (PKV) ab dem 1. Juli 2020 mit Wirkung vom 1. Januar 2020 ambulante Krebsberatungsstellen mit einem Gesamtbetrag von jährlich bis zu 21 Millionen Euro fördern.
Der Anteil der Krankenversicherung (GKV-SV und anteilig PKV) an der Finanzierung von ambulanten Krebsberatungsstellen wurde mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG) verdoppelt: Das am 20. Juli 2021 in Kraft getretene GVWG enthält eine Änderung des § 65e SGB V, mit der die bisherige jährliche Förderung der Krebsberatungsstellen durch die gesetzlichen Krankenkassen (und anteilig durch die PKV) von zuvor 40 Prozent (bis zu 21 Millionen Euro jährlich) auf 80 Prozent (bis zu 42 Millionen Euro jährlich) mit Wirkung vom 1. Januar 2021 erhöht wird. Die Finanzierung des restlichen Bedarfs der Krebsberatungsstellen erfolgt durch Länder und Kommunen (15 Prozent) sowie weiterhin durch einen Eigenanteil beziehungsweise Spenden (5 Prozent).
Bereits am 9. Juli 2020 hatte der GKV-SV die Grundsätze sowie am 11. August 2020 den Zusatz zu den Fördergrundsätzen, welche Voraussetzungen ambulante Krebsberatungsstellen zu erfüllen haben und wie das Verfahren der Förderung geregelt werden soll, veröffentlicht. Dabei war das oben genannte Empfehlungspapier der Arbeitsgruppe KBS eine wichtige Orientierungshilfe. Die Krebsberatungsstellen haben die Möglichkeit, Anträge für eine anteilige Finanzierung beim GKV-SV einzureichen. Die neue Fassung des § 65e SGB V sieht auch vor, dass der GKV-SV in seinen Fördergrundsätzen unter Beteiligung der in den Ländern zuständigen Behörden bis zum 1. September 2021 das Nähere zur Berücksichtigung von Finanzierungsbeiträgen von Ländern und Kommunen regelt. Die Fördergrundsätze des GKV-SV wurden in der Folge angepasst und sind seit dem 1. September 2021 in Kraft. Die "Fördergrundsätze des GKV-Spitzenverbandes für ambulante Krebsberatungsstellen gemäß § 65e SGB V" (Fassungen vom 01.07.2020 und 01.09.2021) sowie der "Zusatz zu den Fördergrundsätzen des GKV-Spitzenverbandes für ambulante Krebsberatungsstellen gem. § 65e SGB V" stehen auf den Internetseiten des GKV-Spitzenverbandes als PDF-Dateien zum Download bereit.
Der GKV-SV hat gemäß § 65e Absatz 5 SGB V im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bis zum 31. Dezember 2022 über die Erfahrungen mit der Umsetzung der Förderung der ambulanten Krebsberatungsstellen (KBS) zu berichten. Der Bericht des GKV-SV zur ersten Förderperiode der ambulanten Krebsberatungsstellen steht unten zum Download bereit.
Weitere Informationen
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Ziel 1
Inanspruchnahme Krebsfrüherkennung
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Ziel 2
Organisatorische Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennungsprogramme
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Ziel 2a
Weiterentwicklung der Gebärmutterhals-Krebsfrüherkennung
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Ziel 2b
Weiterentwicklung der Darmkrebsfrüherkennung
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Ziel 3
Evaluation Krebsfrüherkennung
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Querschnittsthema Risiko-adaptierte Krebsfrüherkennung
Neue Möglichkeiten für ein genetisches Screening
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Ziel 5
Qualitätssicherung, Zertifizierung onkologischer Behandlungseinrichtungen
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Ziel 6
Evidenzbasierte Leitlinien für die Krebsbehandlung
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Ziel 8
Aussagekräftige Qualitätsberichterstattung durch klinische Krebsregister
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Querschnittsthema Datensparsame einheitliche Tumordokumentation
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Ziel 11a
Verbesserung der Informationsangebote für Krebskranke und ihre Angehörigen
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Ziel 11b
Verbesserung der Beratungs- und Hilfsangebote für Krebskranke und ihre Angehörigen
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Ziele 12a, 12b und 13
Stärkung der kommunikativen Kompetenz der Leistungserbringer und der Patientenkompetenz
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Abschlussveranstaltung des Förderschwerpunktes "Forschung im Nationalen Krebsplan"
Pressemitteilung vom 19. Mai 2016