Ziel 6 - Evidenzbasierte Leitlinien für die Krebsbehandlung
Für alle häufigen Tumorarten existieren evidenzbasierte Behandlungsleitlinien der höchsten methodischen Entwicklungsstufe (sogenannte S3-Leitlinien), die von den onkologischen Behandlungseinrichtungen umgesetzt werden:
- Entwicklung und Fortschreibung onkologischer Leitlinien der höchsten Entwicklungsstufe (S3) für alle häufigen Tumorarten
- Sicherung der angemessenen Verbreitung und Anwendung der Leitlinien
- Evaluation der Auswirkungen der Leitlinienanwendung durch kritische Analyse der Versorgungsdaten in regionalen und nationalen Qualitätskonferenzen
Hintergrund
Die im Jahr 2008 zu Ziel 6 eingesetzte Experten-Arbeitsgruppe hatte seinerzeit folgende Leitliniensituation skizziert: Die fachlichen Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Versorgung verschiedener Krebserkrankungen können durch Leitlinien der entsprechenden wissenschaftlichen Fachgesellschaften festgelegt werden. Diese Leitlinien geben Handlungsempfehlungen im Sinne von „Behandlungskorridoren“, die den aktuell gültigen Stand des medizinischen Wissens nach formalen internationalen Standards definieren und allgemein zugänglich zur Verfügung stehen.
Da die Entwicklung und Aktualisierung von qualitativ hochwertigen, evidenzbasierten Leitlinien sehr aufwändig sind, ist eine Priorisierung notwendig. Zur Prioritätensetzung werden neben der Häufigkeit der Tumorart auch der Bedarf an Entscheidungshilfen, an Unterstützung von Versorgungsstrukturen und Vermeidung von Qualitätsmängeln auf allen Versorgungsebenen (Früherkennung, Diagnostik, Therapie, Rehabilitation, Nachsorge) sowie das Vorhandensein ausreichender Kompetenz berücksichtigt.
Damit Leitlinien tatsächlich einen (positiven) Effekt auf die Versorgung haben, müssen sie von den Adressaten genutzt und in ihren Arbeitsalltag integriert werden. Hier bestehen noch erhebliche Defizite. Eine alleinige Bereitstellung von Leitlinien im Internet oder in Zeitschriften hat sich als nicht ausreichend erwiesen. Zudem werden neben der Langfassung der Leitlinie eine praktikable Kurzfassung für den Behandlungsalltag sowie eine allgemeinverständliche Patientenversion benötigt.
Empfehlungen und Maßnahmen
Mit Blick auf die geschilderte Ausgangslage haben sich die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe in einem Abkommen über das im Februar 2008 gestartete Leitlinienprogramm Onkologie (OL) der Förderung der Entwicklung und Fortschreibung onkologischer S3-Leitlinien (Leitlinien der höchsten Evidenzstufe) verpflichtet. Dies beinhaltet auch Maßnahmen, um die Anwendung von Leitlinien im Arbeitsalltag zu verbessern (zum Beispiel mittels geeigneter Kurzfassungen und Patientenversionen) und um die Effekte der Leitlinienanwendung zu erfassen.
Angesichts der begonnenen Aktivitäten im Leitlinienprogramm Onkologie kam die Experten-Arbeitsgruppe im Jahr 2010 zu folgenden Ergebnissen und Empfehlungen: Sie sah eine zentrale Koordinierung, Bereitstellung und Pflege aller drei S3-Leitlinien-Fassungen (Lang-, Kurz-, Patientenversion) als wichtig an. Zudem wurde perspektivisch ein „Runder Tisch“ mit den wichtigsten Partnern im Gesundheitswesen angeregt, um unter anderem Kriterien zur Priorisierung von Leitlinien-Projekten und ein System zur Erstellung, Pflege und Aktualisierung existierender Leitlinien zu entwickeln. Ferner wurden zusätzliche Mittel und personelle Ressourcen für die weitere Leitlinienentwicklung, für eine zentrale Koordination sowie für ein vorausplanendes Management als wünschenswert erachtet. Eine Maßnahme zur Verbesserung der Leitlinienanwendung sei eine Bereitstellung auch von lokalen Informationssystemen in Krankenhaus, Praxis und Rehabilitationseinrichtungen. Darüber hinaus wurde wissenschaftlicher Erkenntnisbedarf gesehen, welche Versorgungsdaten Aufschlüsse über die Anwendung und Auswirkung der Leitlinien-Anwendung geben können. Außerdem wurden begleitende Versorgungsforschungsprojekte empfohlen, in denen untersucht wird, inwieweit die Empfehlungen der Leitlinien in der Versorgungsrealität ankommen und welche Veränderungen durch sie erreicht werden.
Seit 2008 wurden zahlreiche S3-Leitlinien im OL entwickelt. Aktuell stehen 34 onkologische S3-Leitlinien – davon zehn sowie ein Kompendium von Qualitätsindikatoren auch in englischer Sprache – und 32 onkologische Patientenleitlinien zur Verfügung. Die S3-Leitlinien des OL stehen seit 2019 auch als kostenfreie App, die vor allem Ärztinnen und Ärzte im klinischen Alltag unterstützen soll, für iOS und Android zur Verfügung.
Synergistisch zu dieser positiven Entwicklung arbeitet eine Querschnitts-Arbeitsgruppe zur „Qualität und Vernetzung“ seit dem Jahr 2018 daran, im Sinne eines übergreifenden Qualitätszyklus die ursprünglich isoliert betrachteten Ziele 5 „Zertifizierung“, 6 „Onkologische Leitlinien“ und 8 „Klinische Krebsregister“ des Handlungsfeldes 2 des NKP übergreifend zu vernetzen und die Weiterentwicklung der Vernetzung und Qualität in der onkologischen Versorgung voranzutreiben.
Weitere Informationen
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Ziel 1
Inanspruchnahme Krebsfrüherkennung
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Ziel 2
Organisatorische Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennungsprogramme
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Ziel 2a
Weiterentwicklung der Gebärmutterhals-Krebsfrüherkennung
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Ziel 2b
Weiterentwicklung der Darmkrebsfrüherkennung
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Ziel 3
Evaluation Krebsfrüherkennung
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Querschnittsthema Risiko-adaptierte Krebsfrüherkennung
Neue Möglichkeiten für ein genetisches Screening
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Ziel 5
Qualitätssicherung, Zertifizierung onkologischer Behandlungseinrichtungen
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Ziel 8
Aussagekräftige Qualitätsberichterstattung durch klinische Krebsregister
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Ziel 9
Psychoonkologische Versorgung
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Querschnittsthema Datensparsame einheitliche Tumordokumentation
Datenerfassung für Qualitätssicherung, für bevölkerungsbezogene Auswertungen und zur wissenschaftlichen Evaluation der Behandlungsstrategie
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Ziel 11a
Verbesserung der Informationsangebote für Krebskranke und ihre Angehörigen
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Ziel 11b
Verbesserung der Beratungs- und Hilfsangebote für Krebskranke und ihre Angehörigen
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Ziel 12a/12b/13
Stärkung der kommunikativen Kompetenz der Leistungserbringer und der Patientenkompetenz