Langzeitüberleben nach Krebs
Hintergrund
Aufgrund enormer Fortschritte in der Krebsforschung haben sich in Deutschland die Möglichkeiten der Früherkennung und Diagnostik von Krebserkrankungen, aber vor allem der Therapie von an Krebs erkrankten Menschen während der letzten Jahre und Jahrzehnte deutlich verbessert. Ein positives Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass sich Krebs in vielen Fällen von einer unheilbaren Krankheit zu einer chronischen Erkrankung entwickelt hat. Über alle Krebsarten betrachtet, beträgt laut Robert Koch-Institut die absolute 5-Jahres-Überlebensrate derzeit 50 Prozent bei Männern und 58 Prozent bei Frauen. Experten-Schätzungen zufolge leben hierzulande aktuell etwa 4,5 Millionen Menschen mit oder nach Krebs ("Cancer Survivors"). Bei etwa 2,6 Millionen dieser Cancer Survivors liegt die Krebsdiagnose bereits fünf oder mehr Jahre zurück. Mehr als ein Drittel der Cancer Survivors betrachtet sich allerdings fünf bis 16 Jahre nach Diagnosestellung noch immer als "Krebspatient".
Dass zunehmend mehr Menschen mit ihrer Krebserkrankung (über)leben, bedeutet zugleich, dass immer mehr dieser Cancer Survivors mit Langzeit- und Spätfolgen ihrer Erkrankung und der häufig aggressiven Therapie zu kämpfen haben. Dies betrifft insbesondere körperliche, psychische (zum Beispiel Angst vor einem Rückfall) und soziale Aspekte (zum Beispiel eingeschränkte berufliche Perspektive). Zu den therapiebedingten körperlichen Langzeit- und Spätfolgen einer Krebsbehandlung zählen ganz unterschiedliche Beeinträchtigungen wie zum Beispiel chronische Schmerzen und ‚Fatigue‘, Herzerkrankungen, Lymphödeme oder Blasen- und Darmfunktionsstörungen, Einschränkungen der Gedächtnisfunktionen oder auch bei Frauen die vorzeitige Menopause. Während Langzeitfolgen bereits während der Behandlung auftreten und über das Behandlungsende hinaus andauern können, stellen sich Spätfolgen in der Regel erst Monate oder Jahre nach Abschluss der Therapie ein. Das jeweilige Risiko für Langzeit- und Spätfolgen ist individuell abhängig von der Art der Krebserkrankung, der Art der Behandlung und anderen Faktoren, wie zum Beispiel einer genetischen bzw. familiären Veranlagung.
Etwa ein Drittel der Cancer Survivors ist im erwerbsfähigen Alter; circa 40 Prozent sind 75 Jahre oder älter. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene stellen zwar eine Minderheit unter den Krebspatientinnen und Krebspatienten dar, sie haben aber aufgrund ihres jungen Lebensalters zum Zeitpunkt der Diagnose und des besseren Gesamtüberlebens im Vergleich zu älteren Krebskranken ein erhöhtes Risiko für Langzeit- und Spätfolgen.
Die aufgezeigte Entwicklung unterstreicht die Notwendigkeit einer qualifizierten und strukturierten Langzeitnachsorge für Krebsüberlebende, die alle Aspekte körperlicher, psychischer und sozialer Langzeit- und Spätfolgen berücksichtigen sollte.
Daher wurde auf Beschluss der Steuerungsgruppe des Nationalen Krebsplans vom 12. Dezember 2017 eine fachlich breit aufgestellte Experten-Arbeitsgruppe "Langzeitüberleben nach Krebs" (AG LONKO) – unter Einbindung von Vertreterinnen und Vertretern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – im Juni 2018 neu eingerichtet. Die AG LONKO hatte insbesondere die Aufgabe, die komplexe Versorgungslage für Cancer Survivors in Deutschland zu sichten und wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für Forschungs- beziehungsweise Fördervorhaben zur Schließung von relevanten Wissenslücken als Voraussetzung für eine bedarfs- und zielgruppengerechte (Weiter-)Entwicklung und Optimierung der Versorgung für Langzeitüberlebende mit und nach Krebs zu erarbeiten.
Empfehlungen und Maßnahmen
Die AG LONKO des Nationalen Krebsplans hat erhebliche Wissenslücken beziehungsweise Forschungsbedarf zur Situation von in Deutschland lebenden Menschen mit und nach Krebs identifiziert. Dies betrifft einerseits die Weiterentwicklung der bisherigen Datenlage, um besonders betroffene Personengruppen in Abhängigkeit von zum Beispiel Tumor- und Behandlungsart, Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen identifizieren und definieren zu können. Außerdem ist es wichtig, Daten zu den Bedarfen, Bedürfnissen und zur Lebensqualität von Cancer Survivors und ihren Angehörigen gezielt zu erheben und auszuwerten. Solche Daten bieten auch eine wertvolle Grundlage, um zielgerichtet Versorgungskonzepte einschließlich der (Tertiär-)Prävention von Langzeit- und Spätfolgen entwickeln und auch später deren Wirksamkeit bewerten zu können. Andererseits wurde hinsichtlich der Versorgungssituation festgestellt, dass das deutsche Gesundheitswesen bereits über zahlreiche Versorgungsangebote für Krebsüberlebende verfügt (zum Beispiel Krebsberatungsstellen, Rehabilitation, Krebsinformationsdienste, Krebs-Selbsthilfe), die den Cancer Survivors jedoch nicht in einem transparenten, systematisch strukturierten und sektorenübergreifenden Rahmen zur Verfügung stehen.
Daher hat die AG LONKO in Unterarbeitsgruppen sowohl ein Papier "Datenerhebung und Datenanalyse" mit vor allem grundlagenwissenschaftlichen Forschungsempfehlungen zur Verbesserung der Datenlage von Cancer Survivors in Deutschland als auch ein Papier "Bedarfsgerechte Versorgungsmodelle" mit Forschungsempfehlungen für eine Bestandsaufnahme der Ist-Versorgung und eine schrittweise Entwicklung, Erprobung und Evaluation modellhafter Cancer-Survivorship-Versorgungskonzepte erarbeitet und abgestimmt. Beide Papiere (siehe unten unter "Downloads") wurden im Juni 2021 von der Steuerungsgruppe des Nationalen Krebsplans angenommen. Idealerweise sollten nun unterschiedliche Förderer sich sinnvoll ergänzende Forschungsvorhaben auf den Weg bringen, um in den kommenden Jahren bei dem sehr komplexen Thema "Cancer Survivorship" wichtige Fortschritte zu erzielen. So hat das Bundesministerium für Gesundheit Mitte Oktober 2021 bereits eine Förderbekanntmachung unter Berücksichtigung der oben genannten Experten-Empfehlungen veröffentlicht.
Zur Verbesserung der Datenlage von Krebsüberlebenden in Deutschland ist auch das am 20. Mai 2021 vom Deutschen Bundestag beschlossene und am 31. August 2021 in weiten Teilen in Kraft getretene "Gesetz zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten" von Bedeutung, das unter anderem die Erarbeitung eines gemeinsamen Konzeptes der klinischen Krebsregister zur systematischen Erfassung von Langzeit- und Spätfolgen von Krebserkrankungen und deren Integration in die Krebsregistrierung bis zum 31. Dezember 2024 vorsieht. Auf der Grundlage des vorgelegten Konzepts soll laut Gesetz im Anschluss über die Durchführung von Pilotverfahren entschieden werden. Außerdem sieht das Gesetz die Erarbeitung eines Konzeptes für die Zusammenarbeit der Krebsregister und des Deutschen Kinderkrebsregisters vor. Hiermit soll insbesondere für einen nahtlosen Übergang von Informationen gerade für die Gruppe der Heranwachsenden Sorge getragen werden.
Weitere Informationen
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Ziel 1
Inanspruchnahme Krebsfrüherkennung
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Ziel 2
Organisatorische Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennungsprogramme
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Ziel 2a
Weiterentwicklung der Gebärmutterhals-Krebsfrüherkennung
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Ziel 2b
Weiterentwicklung der Darmkrebsfrüherkennung
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Ziel 3
Evaluation Krebsfrüherkennung
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Querschnittsthema - Risiko-adaptierte Krebsfrüherkennung
Neue Möglichkeiten für ein genetisches Screening
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Ziel 5
Qualitätssicherung, Zertifizierung onkologischer Behandlungseinrichtungen
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Ziel 6
Evidenzbasierte Leitlinien für die Krebsbehandlung
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Ziel 8
Aussagekräftige Qualitätsberichterstattung durch klinische Krebsregister
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Ziel 9
Psychoonkologische Versorgung
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Ziel 11a
Verbesserung der Informationsangebote für Krebskranke und ihre Angehörigen
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Ziel 11b
Verbesserung der Beratungs- und Hilfsangebote für Krebskranke und ihre Angehörigen
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Ziel 12a/12b/13
Stärkung der kommunikativen Kompetenz der Leistungserbringer und der Patientenkompetenz